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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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mit großer Geschäftigkeit aufgefüllt
wurden, zählten die Händler zufrieden ihre Einnahmen. Die mühsame Anreise nach
Schloss Wasserhain war, wie eigentlich immer, überaus lohnenswert.
    Bald darauf stand sogar die erste Jagd des Jahres auf dem
Programm. Eingehüllt in edles Leder und wärmende Pelze brachen Heinbold Graf zu
Wasserhain und einige eigens zu diesem Anlass angereiste Besucher in die
umliegenden Wälder auf. Man hatte nicht allzu viel Hoffnung, wirklich auf Wild
zu stoßen – es war eher ein Zeichen dafür, dass noch Leben in den Menschen
steckte und sie auch den strengsten Winter überstehen konnten.
    Der ständige Gast des Grafen nahm nicht an der Jagd teil. Er ließ
sich an diesem frühen Morgen nicht einmal blicken. Noch immer war sein
Aufenthalt ein Geheimnis, und man bemühte sich darum, dass es eines blieb.
Dafür war der Gast sogar das Risiko eingegangen, auf seine Wachmannschaft zu
verzichten und die Soldaten noch vor dem Einbruch des Winters vom Palast
wegzubeordern. Er war allein hier, bewohnte ein paar Räume in einem der oberen
Stockwerke und hatte nicht einmal zu den anderen hochrangigen Offizieren der
kaiserlichen Armeen Kontakt. Selbst sie wussten nicht mit Sicherheit, ob er
noch lebte.
    Oberst Jakob von Falkenberg war untergetaucht. Weit weg von dort,
wo der Krieg seine wirren Fronten zog, befand er sich zum ersten Mal seit
vielen Jahren nicht im Zentrum des Geschehens. Eingeschneit im abgelegenen
Schloss Wasserhain nahm er sich Zeit für seine Genesung. Mit einer Geduld, die
angesichts seines Tatendrangs nicht unbedingt zu ihm zu passen schien.
    Nach ein paar weiteren Wochen fielen die Eiszapfen am Fenster
herab und lösten sich im Schnee auf, in dessen Decke die ersten Flecken brauner
Erde sichtbar wurden. Von Bernina jedoch wich die Kälte nicht.
    Inzwischen allerdings wehrte sich etwas in ihr gegen die
Eisesstarre. Ihr Magen verlangte wieder nach Essen und Wasser, ihre Lungen nach
frischer Luft. Es war nicht so, als wäre sie neugeboren, eher so, als würde sie
ganz allmählich, nach einem langen Schlaf, wach werden. Die Trauer, die
Enttäuschung, die Endgültigkeit, die sich mit der Nachricht von Anselmos Tod in
ihr ausgebreitet hatte, war weiterhin da, tief in ihr. Doch ihre äußere Hülle
schien diesen Winter irgendwie überlebt zu haben. Und mit einem heißen Bad und
vielen darauf folgenden Gesprächen war ihr Inneres offenbar wieder freigelegt
worden.
    Nach wie vor ließ sie die Zeit an sich und an ihrem Fenster
vorüberziehen, so untätig, wie sie nie in ihrem Leben gewesen war. Und doch
hatte sich einiges verändert.
    Anders und ungewohnt waren allein schon die Stoffe, die sich
inzwischen um ihren Körper schmiegten. Ihr altes Kleid hing noch im Schrank des
Zimmers, aber Bernina hatte keinen einzigen Blick mehr darauf geworfen. Die
neuen Kleider, die sie neben der Wanne erwartet hatten und von denen Helene
Gräfin zu Wasserhain nach dem Bad ihr eigenhändig eines über die Schultern
gestreift hatte, fühlten sich fremd an. Manchmal störte sie sich an den
Gewändern. Sie kam sich vor, als würde sie damit versuchen, eine andere Frau zu
sein, und das wollte sie nicht. Dann wieder jedoch kam die Gleichgültigkeit
über sie, mit der der Winter sie zugedeckt hatte, und auch ein löchriger Getreidesack
hätte ihr als Bekleidung genügt.
    Noch ungewohnter als die feinen, in kräftigen Farben schillernden
Stoffe war für Bernina allerdings die Tatsache, dass sie nicht mehr allein war,
sondern Gesellschaft hatte und Gespräche führte. Viele Gespräche.
    Täglich betrat die Gräfin Berninas Zimmer, mit diesen typischen
kurzen Schritten, die so schnell waren, dass der ausladende Körper kaum
hinterherzukommen schien. Sie tranken Tee und aßen feines Gebäck, und die Frau,
die sich ihr Leben lang nur mit Leuten ihres Standes abgegeben hatte, schien
erfreut über einen Gast zu sein, der anders war als alle, die in den
zurückliegenden Jahren den Weg zu Schloss Wasserhain gefunden hatten.
    Ihr schnippisches und befehlsgewohntes Wesen änderte sich nicht,
und dennoch gelang der Gräfin das Kunststück, gleichzeitig Warmherzigkeit
auszustrahlen. Nach anfänglichem Misstrauen merkte Bernina, wie sie sich zu
öffnen begann. Die ältere Frau erkundigte sich nach Berninas bisherigem Leben
und stellte ihre Fragen stets ohne plumpe Neugier, sondern mit wachem
Interesse.
    Ihre Augen glänzten über den dicken Wangen vor Wissbegier, wenn
Bernina von den Zirkuskünsten und Aufführungen der

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