Das Geheimnis der MacKenzies
So großartig sein Körper auch war, Caroline hatte mehr gewollt. Bis jetzt hatte sie auch geglaubt, mehr bekommen zu haben.
Oh, sie hatte sich nicht eingebildet, er hätte sich in sie verliebt, nein, das nicht. Aber sie hatte wirklich gedacht, dass sie ihm nicht ganz gleichgültig sei. Er hatte keine Gefühle, zumindest keine, die er ihr zeigte. Immer war er kontrolliert, immer hielt er sich zurück, außer natürlich bei seiner Familie. Caroline begann, den Sinn darin zu sehen.
Im Moment würde sie alles dafür geben, ihre Gefühle so schützen zu können, wie Joe es tat. Dann würde sie jetzt nicht kurz davor stehen, zu einem Häufchen Elend zusammenzusinken und sich die Seele aus dem Leib zu heulen. Sie würde es sich wahrscheinlich sogar erlauben, wenn sie der Meinung wäre, es könnte helfen. Doch nichts konnte diesen unerträglichen Schmerz lindern, nicht einmal das.
Wenn er die Wahrheit herausfand, würde er dann ihre Affäre fortsetzen wollen, so als sei nichts geschehen? Caroline versuchte, sich vorzustellen, wie sie dann reagieren würde, doch es gelang ihr nicht.
Ebenso wenig konnte sie sich vorstellen, weiter auf der Basis zu arbeiten und Joe tagtäglich sehen zu müssen. Sie hatte also immer gut daran getan, sich mit niemandem einzulassen. Und das erste Mal, da sie ihren Grundsatz gebrochen hatte, war in eine Katastrophe ausgeartet. Ihr blieben also zwei Möglichkeiten: Entweder sie schaffte das schier Unmögliche und arbeitete weiter mit ihm, oder sie ruinierte ihre Karriere, indem sie offiziell darum bat, von dem Projekt abgezogen zu werden.
Da es so aussah, als sei die Arbeit alles, was ihr im Leben blieb, würde sie den Teufel tun und wegen eines Mannes alles so einfach wegwerfen - selbst wenn es sich bei dem Mann um Colonel Joe Mackenzie handelte. Es würde sie jedes Quäntchen Kraft kosten, das in ihr steckte. Aber sie wollte dieses vermaledeite Projekt beenden. Sie würde über die Arbeit mit ihm reden. Höflich und sachlich wollte sie Joe begegnen. Und nie wieder würde sie ihm auch nur ansatzweise ihr Herz öffnen. Diesen Schmerz könnte sie nicht mehr aushalten. Schon jetzt konnte sie es kaum ertragen, und dabei hatte der Spießrutenlauf noch nicht einmal richtig begonnen.
„Cal Gilchrist bestreitet kategorisch, Caroline Evans‘ Ausweis im Arbeitsbereich gefunden zu haben.“ Captain Hodge erstattete Joe Bericht. Es war schon fast Mitternacht, aber schlafen konnte noch niemand.
„Er behauptet, sie habe ihn früh am Freitagmorgen angerufen und ihn gebeten, sie zum Container zu begleiten, weil jemand sie angeblich am vorherigen Morgen verfolgt habe und sie nervös sei. Er sagt außerdem, er sei kurz mit ihr ins Gebäude gegangen und habe in den Büros nachgesehen. Dann sei er zu seinem Quartier zurückgekehrt, um sich zu duschen.“
Joes Miene war wie aus Stein gemeißelt. Er hatte sich nicht erlaubt, darauf zu hoffen, dass Gilchrist Carolines Geschichte bestätigen würde. Das wäre zu viel erwartet, wenn die Sensoren eindeutig ihren Ausweis erfasst hatten. „Warum benutzt sie ihn dann als Alibi? Ihr musste doch klar sein, dass er sie nicht decken würde.“
„Nicht unbedingt. Sie beiden sollen gut befreundet sein. Adrian Pendley würde mit Sicherheit nichts für sie tun. Vielleicht hatten Gilchrist und sie ja mal was miteinander, sodass sie zuversichtlich war, er würde sie schützen.“
„Nein.“ Zumindest dessen konnte Joe sich sicher sein. Caroline war mit niemandem intim gewesen, außer mit ihm. Bevor Ivan ihn fragen konnte, warum er so sicher war, stellte er selbst eine Frage. „Was ist mit Korleski? Haben sie darüber gesprochen, dass der Fehler im Programm liegen könnte?“
„Ja. Alles, was sie dazu gesagt hat, entspricht der Wahrheit. Korleski bestätigt auch, dass sie es war, die den Vorschlag machte, das Programm zu überprüfen. Er hat auch vehement verneint, dass sie ein solches Projekt sabotieren würde, um hinterher den Ruhm für die Rettung einzuheimsen. Er kann sich ebenso wenig vorstellen, dass es um Geld geht.“
„Hat er irgendwas zu den anderen im Team gesagt? Dass jemand von ihnen es vielleicht aus Prestige- oder Geldgründen tun würde?“
Ivan schüttelte den Kopf.
„Wie sieht es mit der Sicherheitsprüfung bei den anderen aus?“
„Wir sind noch dabei, alles zu verifizieren. Das dauert seine Zeit. Aber bei keinem gab es auch nur ein Fleckchen zu entdecken. Ich hätte Miss Evans ja auch nie verdächtigt, wenn nicht diese Zeiten registriert
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