Das Geheimnis der Maurin
doch nicht dasitzen und abwarten, dass der Zegrí und die beiden anderen in Cisneros’ Kerker sterben! Und danach holt sich Cisneros gleich das nächste Dutzend Männer?«
Zahra ging in Richtung des Diwans, verharrte einen Moment und kam dann langsam wieder zu ihnen zurück. Erst als sie wieder vor ihnen stand, hob sie den Blick und sagte: »Ich … ich habe nur gehört, dass ihr beide heute Abend auf eine Feier mit Studienkollegen geht, und genauso ist es doch, nicht wahr?«
Abdarrahman lief zu ihr und drückte ihr dankbar die Hand. »Ich wusste, dass Ihr uns verstehen würdet! Danke, Mutter!«
»Aber pass auf, dass dein Vater nie etwas anderes zu hören bekommt. Nie, hörst du! Und du lässt dich zu keinerlei Gewalttaten hinreißen! Ich hoffe nur, Chalida hat vorhin von all dem nichts mitbekommen?«
Abdarrahman beruhigte sie, und schon eine halbe Stunde später ritt er mit seinem Freund in die Stadt. Besorgt blickte Zahra ihnen nach. Dabei hatte sie durchaus nicht nur Angst um Abdarrahman, sondern auch um Jaime. Denn wenn je herauskäme, dass sein Sohn an solchen Versammlungen teilnahm, würde es auf ihn zurückfallen, und er würde größte Schwierigkeiten bekommen, wahrscheinlich sogar noch weit größere als Abdarrahman und seine Freunde. Immerhin war Jaime Christ und hatte, als er als Leibwächter an den Hof zurückkehrte, seinen Schwur erneuert, die kastilische Krone und die christliche Kirche mit seinem Leben zu schützen.
III.
Granada
15 . Dezember 1499
D as Klopfen war so vernehmlich, dass Zahra es bis hoch ins erste Stockwerk hörte. Verwundert blickte sie von ihrem Schlafzimmerfenster hinunter auf die Straße. Am Vorabend war sie mit Jaime, ihren Söhnen, Zubair, Maryam und deren Sohn in Granada eingetroffen. Mosche hatte sie gebeten, eine Patientin zu übernehmen, die intensive Pflege benötigte. Niemand von ihren Freunden oder Bekannten wusste bislang, dass sie hier waren, überdies war es noch so früh am Tag, dass sie gerade das
fadschr,
das Gebet vor dem Sonnenaufgang, hatte verrichten wollen – was den Verdacht nahelegte, dass der frühe Besucher kein Muslim war. Beklommen strich sich Zahra über den Hals und wünschte sich, Jaime wäre noch im Haus, aber er hatte schon vor Sonnenaufgang bei Talavera sein müssen.
»Wer da?«, hörte Zahra Zubair an der Haustür rufen.
»Friede sei mit dir, Bruder. Verzeih die frühe Störung, aber ich … ich komme in wichtigen Angelegenheiten.«
Die Stimme erkannte Zahra auf Anhieb. Sie gehörte dem Faqih ihres Viertels. Rasch hüllte sie sich in ihren Hidschab und eilte nach unten. Der Faqih traf beinahe gleichzeitig mit ihr in dem Patio ein.
»As-Salamu alaikum, Sayyidi«, begrüßte sie ihn. »Was treibt Euch zu dieser frühen Stunde in unser Haus?«
»Wa alaikum as-Salam, Zahra, ich …« Da drängten sich zwei christliche Soldaten in den Patio und bauten sich mit der Hand am Heft ihrer Schwerter rechts und links neben dem alten Mann auf. Zahra raffte ihren Hidschab enger um sich und blickte den Faqih fragend an.
»Es … es tut mir leid, aber ich … Nun, wie Ihr seht, komme ich nicht aus freien Stücken und überdies mit einer mir sehr unangenehmen Aufgabe: Leider muss ich Eure Bücher beschlagnahmen. Cisneros verlangt, dass wir bis zum Ende der Woche alle muslimischen Bücher abgeben. Ich bitte Euch, Zahra, macht keine Schwierigkeiten. Ich habe keine Wahl, und Ihr seht ja selbst, wer mich begleitet.«
»Alle Bücher? Aber …«
»Sagt der Frau, sie soll nicht schwatzen, sondern endlich die Bücher beischaffen!«, raunzte einer der Soldaten den Faqih auf Kastilisch an, gewiss nicht ahnend, dass auch Zahra diese Sprache bestens verstand. »Und hört auf, mit ihr auf Arabisch zu reden, sonst fangen wir an, selbst nach ihren Büchern zu suchen!«
Zahra sah, wie Zubairs Hand an sein Schwert fuhr, und erinnerte sich im gleichen Moment an die Zusicherung in den Kapitulationsvereinbarungen, dass Christen keine maurischen Häuser betreten durften, es sei denn, sie waren dort willkommen – was hier gewiss nicht der Fall war. Außerdem hätte sie den Soldaten zu gern vorgehalten, dass sie kein Recht hatten, ihre Bücher zu verlangen, doch sie erweckten nicht den Eindruck, als ob sie mit sich diskutieren ließen. Zahra ging zu der Truhe im Wohnzimmer, in der sie Bücher aufbewahrten. Ganz obenauf lag
Das Halsband der Taube
von Ibn Hazm, ein reich verziertes Buch über die Liebe, das sie immer wieder gern zur Hand nahm.
Der Duft des
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