Das Geheimnis der Maurin
mal bei uns ist, dann könnt Ihr die Zeit gleich nutzen, um ihm zu erklären, dass er sich nach einer anderen Braut umsehen kann. Eher sterbe ich, als dass ich so einen arroganten Kerl heirate, hört Ihr? Eher sterbe ich!« Und schon stürmte sie davon in Richtung ihres Zimmers.
Zahra sah ihr kurz nach und wandte sich dann in Richtung des Männertrakts. Das Wort Geheimversammlung schwirrte ihr weiter im Kopf herum. In was ließ sich ihr Sohn da hineinziehen? Und Musheer? Zögernd, aber unaufhaltsam angetrieben von Sorge, ging sie zu dem Teil des Hauses, in dem die Männer gewöhnlich unter sich waren, zog auf dem Weg dorthin ihren Hidschab über und bedeckte auch den unteren Teil ihres Gesichts. Als sie die Tür erreicht hatte, hob sie die Hand, um anzuklopfen, doch im gleichen Moment drangen Satzfetzen von Musheer zu ihr, die ihre Hand wie gelähmt erscheinen ließen.
»Wir müssen etwas tun, sonst stirbt der Zegrí!«
Sie hörte, wie ihr Sohn etwas erwiderte, konnte seine Worte aber nicht verstehen.
Musheers Stimme hingegen vernahm sie klar: »Ja, natürlich heute Abend, und deinen Eltern präsentierst du eben eine Ausrede. Warum sagst du nicht, dass du bei mir übernachtest, weil wir morgen schon ganz früh in die Medresse müssen?«
Zahra riss entschlossen die Tür auf. Die beiden jungen Männer fuhren erschrocken zu ihr herum.
»Mu… Mutter! Was tut Ihr denn hier?«
Zahra schloss die Tür hinter sich und trat auf die beiden zu. »Von was für einer Geheimversammlung redet ihr da? Und was ist das mit dem Zegrí?«
Abdarrahman und Musheer tauschten einen Blick und erbleichten.
»Jetzt redet schon, denn irgendwie finde ich es ohnehin heraus – und wenn ich deinen Vater auf euch ansetzen muss!«, fügte sie, zu ihrem Sohn gewandt, mit drohender Stimme hinzu.
»Nein, Mutter, nicht Vater, bitte!«
»Dann redet jetzt, und zwar alle beide!«
Nachdem sie einen weiteren langen Blick miteinander getauscht hatten, fuhr sich Musheer durch sein dichtes, dunkles Kraushaar, seufzte und ergriff das Wort. »Es ist nicht so, wie Ihr denkt, wir … wir tun nichts Unrechtes!«
»Das würde ich an eurer Stelle auch behaupten!«
»Ich weiß nicht, ob Ihr schon von der neuen Verhaftungswelle gehört habt …« Musheer machte eine wohlberechnete Pause, in der Zahra den Kopf schüttelte und sich beklommen über den Hals strich. »Diesmal haben Cisneros’ Büttel gleich ein ganzes Dutzend unserer angesehensten Glaubensführer gefangen genommen, unter ihnen auch ein Zegrí, ein Cousin zweiten Grades von Boabdil. Die meisten Gefangenen haben sich von Cisneros nach einigen Tagen ›überreden‹ lassen, sich taufen zu lassen, und sind wieder auf freien Fuß gesetzt worden, aber zwei der Gefangenen und der Zegrí sind noch immer eingesperrt und sollen schon mehrmals gefoltert worden sein!«
»Mutter, so versteht doch, dass wir etwas unternehmen müssen, und zwar schnell!«, fiel Abdarrahman seinem Freund ins Wort. »Über eine Woche sind diese Männer schon gefangen, und unser Spitzel meint, dass Cisneros ihre Zelle schon seit Tagen wässern lässt. Ihr wisst, was das bedeutet!«
Das wusste Zahra allerdings: Die Kerker des Inquisitors waren ohnehin feuchtkalt, und wenn sie knöchelhoch geflutet wurden und die Männer ständig im Wasser stehen, sitzen und schlafen mussten, bekamen sie über kurz oder lang hohes Fieber und Infektionen – was im Kerker den sicheren Tod bedeutete.
»Aber wieso ihr«, stöhnte Zahra. »Ich meine, es gibt doch genug erwachsene Männer in der Stadt! Warum kümmern die sich nicht darum? Und was hat eigentlich die Delegation erreicht, die ihr zu den Königen geschickt habt?«
»Die Delegation wurde noch nicht einmal empfangen, und zu diesen Versammlungen kommen sehr wohl auch ältere und sehr angesehene Männer, und täglich werden es mehr!« Abdarrahman warf Zahra einen drängenden Blick zu. »Bitte, Mutter, Ihr dürft Vater nichts sagen! Und wir wollen doch auch erst einmal nur reden!«
»Aber mit Worten allein werdet ihr die Männer kaum aus dem Kerker holen! Und alles andere … Ihr … das ist doch viel zu gefährlich!« Zahra atmete tief durch. »Abdu, ich will nicht, dass du weiter auf diese geheimen Versammlungen gehst, und dein Vater will dies gewiss noch viel weniger.«
»Wenn Ihr es ihm nicht sagt, wird er es nie erfahren!«
»Wenn du nicht hingehst, brauche ich ihm auch nichts davon zu sagen – und diese Version gefällt mir eindeutig besser.«
»Aber Mutter, wir können
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