Das Geheimnis der Maurin
gerungen, ich habe versucht … zu widerstehen. Mehr zu tun stand … nicht in meiner Macht.«
»Und die anderen – sind sie auch …?«
Der Imam nickte. »Unter uns Gefangenen war ein Mufti. Er war es, der uns … am Ende zugeredet hat, Cisneros zu Willen zu sein. Er meinte, dass es … unter solchen Umständen kein Verstoß gegen den Koran sei, wenn wir uns taufen ließen. Allah … er verlangt nicht, dass wir unser Leben opfern, nur um einer Konversion zu entgehen.«
Ein trockener Husten schüttelte ihn, woraufhin seine Frau Abdarrahman einen ebenso verzweifelten wie flehentlichen Blick zuwarf. Plötzlich wurde der Husten so schlimm, dass der alte Mann kaum noch Luft bekam. Hastig eilte Abdarrahman zu ihm, half seiner Frau, ihn aufzurichten, drückte ihm einige Kissen in den Rücken und sprach beruhigend auf ihn ein. »Atmet, Sayyidi, Ihr müsst gegen den Hustenreiz anatmen. Ja, so ist es besser!«
Als der Husten endlich nachließ, gierte der alte Mann pfeifend nach Luft.
Seiner Frau liefen die Tränen über die Wangen. »Sie haben die Zelle meines Mannes unter Wasser gesetzt, bis er sich fast den Tod geholt hat. Nur deswegen hat er Cisneros’ Drängen nachgegeben! Oh Gott, wenn er mich doch wenigstens den Arzt holen ließe! Allmählich glaube ich, er will sterben, um Cisneros’ weiteren Repressalien zu entgehen: Er hat von ihm verlangt, dass er auch andere Muslime zum christlichen Glauben bewegen muss, und wenn er dies nicht tut, wird er ihn wieder einsperren und foltern!«
Abdarrahman schüttelte fassungslos den Kopf. »Sayyidi, ich beschwöre Euch: Wir werden für alles einen Weg finden, aber jetzt müsst Ihr Euch behandeln lassen! Meine Mutter weiß viel über die Heilkünste, und überdies haben wir einen guten jüdischen Arzt in der Familie. Ich flehe Euch an: Lasst mich zumindest einen der beiden holen gehen!«
Der Imam reagierte nicht, aber seine Gemahlin machte Abdarrahman unmissverständliche Zeichen, woraufhin dieser nicht länger zögerte.
Eine halbe Stunde später kehrte er mit seiner Mutter zurück. Schon während sie den Patio überquerten, hörten sie den Imam hustend nach Luft ringen. Eilig folgte Zahra der Frau in das Gemach des Imams, half ihr, den keuchenden Mann aufzusetzen, und beruhigte ihn mit einem gleichmäßigen Redefluss und einer sanften Rückenmassage. Nach quälend langen Minuten ebbte der Hustenanfall endlich ab. Zahra untersuchte den Imam und bat seine Gemahlin, aus den Kräutern, die sie aufgrund von Abdarrahmans Schilderung wohlweislich mitgebracht hatte, einen Sud zu bereiten, von dem der Kranke alle halbe Stunde trinken sollte; ihren Sohn hieß sie eine Salbe mit ätherischen Ölen auf Brust und Rücken auftragen. Schon wenige Minuten später beruhigte sich die Atmung des Kranken weiter, aber ein wenig entspannen konnte sich der Mann erst, als Zahra ihm schwor, mit niemandem über ihren Krankenbesuch und das, was sie hier sah und hörte, zu sprechen. Anschließend erlaubte der Imam seiner Frau und Abdarrahman, Zahra den Grund für seine Verletzungen und seine Erkrankung zu nennen – mitsamt der Rolle, die Cisneros dabei gespielt hatte. Trotzdem lehnte er weiter jede Vergeltung ab und wollte auch nicht die Könige über die Vorfälle informieren.
»Unser Volk hat in diesem unseligen Krieg schon genug gelitten, und wir müssen unter allen Umständen vermeiden, dass es zu neuen Kämpfen kommt«, stöhnte er. »Allahu akbar, Gott ist groß. Auch wenn wir uns von diesem Cisneros mit Weihwasser besprengen lassen, um unser Leben zu retten, weiß der Allmächtige doch, dass wir in unseren Herzen weiter gläubige Muslime sind!«
Auf dem Heimweg mahnte Zahra ihren Sohn, sich an die Bitte des Imams zu halten. »Glaub mir, ich bin über Cisneros’ Willkür und Übergriffe ebenso empört wie du, aber der Imam hat recht: Es bringt niemandem etwas, wenn wir die Feuer des Krieges neu anfachen. Es hat schon viel zu viele Tote gegeben. Das darf sich nie mehr wiederholen!«
»Niemand will einen neuen Krieg, Mutter, aber tatenlos zusehen können meine Freunde und ich nicht mehr. Wir haben beschlossen, eine Delegation zu den Katholischen Königen zu schicken! Wenn sie uns allerdings nicht empfangen und anhören …« Er unterbrach sich, aber Zahra wusste auch so, was die Folge davon wäre. Sie sah sich erschrocken um, doch die Gasse um sie herum war menschenleer. Trotzdem lief ihr ein Schauder über den Rücken.
»Abdu, du hast den letzten Krieg zwar nur als Kind
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