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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Wenn ich Söhne hätte, ginge es mir nicht anders!«
    Zahra drückte ihr dankbar die Hand und verließ das Haus unverzüglich, ohne auf Zubair zu warten. Sie wollte Abdarrahman abfangen, ehe er zum Abendgebet in der Moschee verschwand. Vor dem Hintergrund der neuesten Ereignisse erschienen ihr seine Treffen dort mit seinen Freunden in einem neuen, bedrohlichen Licht …
     
    Obwohl Zahra noch vor dem Ruf des Muezzins zum Gebet vor der Moschee eintraf, konnte sie Abdarrahman nicht unter den Männern entdecken, die in die Moschee strömten, und wagte auch niemanden von ihnen nach ihrem Sohn zu fragen. Eine Frau, noch dazu ohne Begleitung, konnte auf der Straße keine Männer ansprechen, die nicht zu ihrer Familie gehörten, wenn sie sich nicht in Verruf bringen wollte. Abdarrahman selbst in der Moschee zu suchen war ihr aber ebenso wenig möglich. Der Prophet hatte die Trennung zwischen Mann und Frau befohlen, und das ganz besonders an dem Ort, der von Allah am meisten geachtet wurde: der Moschee. Der weitläufige Innenpatio des Moscheegeländes mit seinen Brunnen und Gärten, dem Betsaal und den Nebenräumen mitsamt der Medresse waren einzig den Männern vorbehalten; Frauen durften lediglich einen durch einen hohen Leinenvorhang abgetrennten Teil des Betsaals betreten, der von der anderen Straßenseite her zugänglich war. Von dort aus aber hatte sie keine Möglichkeit, einen Blick zu den Männern zu werfen. Als der Zug der Männer zur Moschee abebbte, ließ sich Zahra auf einem zurückliegenden Mauervorsprung nieder und wartete, bis das Gebet zu Ende ging. Ängstlich fragte sie sich, ob sie Abdarrahman nur verpasst hatte, weil er schon vor ihrer Ankunft in die Moschee gegangen war, oder ob ihm bei den heutigen Unruhen etwas zugestoßen war. Mehrmals erwog sie, nach Hause zu gehen, um Zubair zu fragen, ob er etwas von Abdarrahman gehört hatte, wagte es dann aber doch nicht, weil sie Angst hatte, Abdarrahman noch einmal verpassen zu können.
    Nach dem Gebet verließen nur wenige Männer die Moschee; Abdarrahman war erneut nicht unter ihnen. Vor Angst und Sorge ballte Zahra immer wieder die Hände. Der Gedanke, dass die Älteren ihn aufhetzen und zu gefährlichen Handlungen verleiten könnten, brachte sie fast um den Verstand. Allmächtiger, bitte, er ist doch erst sechzehn Jahre alt, dachte sie, ein halbes Kind noch! Aber im gleichen Moment, in dem sie dies dachte, wurde ihr klar, dass Abdarrahman das eben nicht mehr war … Nein, er war kein Kind mehr, und genau darum hatte sie solche Angst um ihn.
     
    Lange nach Mitternacht traten Abdarrahman und Musheer ins Mondlicht hinaus. Im ersten Moment war Zahra unendlich erleichtert, ihn heil und gesund zu sehen, aber dann fiel ihr die Betroffenheit – und Härte – in seiner Miene auf, und sie wurde erneut von Sorge erfasst. Da die beiden ohnehin in ihre Richtung gingen, wartete sie, bis sie auf zwei Schritte an sie herangekommen waren, und gab sich ihnen zu erkennen.
    »Mutter!«, rief Abdarrahman verwundert. »Was tut Ihr denn hier zu dieser späten Stunde – und dann auch noch allein?«
    »Kannst du dir das nicht denken?« Zahra sah zwischen ihm und seinem Freund hin und her. »Was habt ihr vor? Und versucht nicht, euch herauszureden; dazu sprechen eure Mienen eine viel zu deutliche Sprache!«
    Die beiden jungen Männer blickten einander stumm an.
    »Ach«, rief Zahra. »Die Herren ziehen es vor zu schweigen?« Angesichts des ebenso beharrlichen wie überheblichen Schweigens der beiden schoss eine Woge blanker Wut in ihr hoch. Sie ließ eine Gruppe Männer an ihnen vorbeischreiten, dann zischte sie den Jungen zu: »Glaubt nicht, mir wäre nicht klar, was in euren Köpfen vorgeht, aber ich kann euch versichern, dass ich sehr viel mehr von dem weiß, was jetzt auf uns und vor allem auf euch zukommt, als ihr ahnt. Im Gegensatz zu euch habe ich nämlich schon einen Krieg gegen die Christen erlebt – und weit mehr als das!«
    Wiederum musste Zahra warten, bis eine Gruppe Männer an ihnen vorbeigegangen war. Angst schlug in ihr hoch, die Angst, dass alles wieder von vorn anfangen könnte: der Krieg, die Flucht, die Verfolgung, der Hunger, der Tod. Den letzten Krieg hatten sie überlebt, zumindest die meisten Mitglieder ihrer Familie, aber wenn das alles jetzt wieder von vorne begann … Und heute würde Jaime im Gegensatz zu damals nicht einer von ihnen sein können; er hatte einen Eid darauf geleistet, das christliche Königshaus und den Erzbischof Talavera mit

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