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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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ordentlich versorgen könnte. Sie brauchen dringend Eure Hilfe!«
    Kurz darauf brachen sie auf. Wegen der Kämpfe musste Abdarrahman sie auf Umwegen zum anderen Ende des Albaicíns schleusen. Als sie ankamen, verließen gerade zwei mit wertvollen Schwertern bewaffnete Mauren das Haus. Ihre Kleider waren zerrissen und mit Blut besudelt, die Gesichter matt und verzweifelt. Als sie Abdarrahman und Zahra erspähten, kehrte ein Hauch Hoffnung in ihre Mienen zurück. »Endlich! Die Männer da drin krepieren allesamt, wenn nicht endlich jemand nach ihnen sieht, und eben haben wir noch zwei Schwerverletzte gebracht. Kannst du gleich wieder mit uns kommen, Abdarrahman? Im Suq brauchen sie dringend Verstärkung!«
    Abdarrahman nickte seiner Mutter kurz zum Abschied zu und verschwand. Zahra blieb keine Zeit, um ihm nachzusehen. Schon am Hauseingang klang ihr das Stöhnen und Schreien der Verwundeten im Patio entgegen. Ein buckliger alter Mann, dessen Tunika über und über mit Blut besudelt war, erklärte ihr in aller Hast, dass die schwersten Fälle in den beiden angrenzenden Räume lagen und sie dort anfangen möge. »Ich habe mich ja bemüht, etwas auszurichten, aber viel mehr als Wunden abbinden kann ich nun einmal nicht!«, erklärte er entschuldigend und zeigte ihr den Weg.
    Das Elend in dem ersten Raum, den Zahra betrat, war so groß, dass sie am liebsten sofort die Flucht ergriffen hätte: Einem Mann fehlte die rechte Hand, über einen anderen beugte sich ein junger Bursche und drückte ihm ein Tuch in die Bauchwunde, zwei hatten großflächige Kopfverletzungen, und direkt neben dem Eingang lag ein Mann mit zahllosen Stichwunden an Armen und Beinen.
    »Aber wieso habt Ihr überhaupt keinen Arzt?«, fragte Zahra den alten Mann entsetzt.
    »Ganz einfach, weil der, der kommen wollte, am Morgen zwischen die Kämpfenden geraten ist und jetzt selbst mit dem Tode ringt …«
    Zahra tauschte einen Blick mit ihm und erkannte, er wusste ebenso gut wie sie, dass es unmöglich war, mit all den Verwundeten allein und ohne ärztliche Unterstützung zurechtzukommen, aber im Moment blieb ihr nichts anders übrig, als es wenigstens zu versuchen. Sie stellte ihren Korb neben sich, krempelte die Ärmel ihrer Tunika hoch und kümmerte sich als Erstes um den Mann, dem die Hand abgeschlagen worden war. Für ihn jedoch konnte sie nicht mehr tun, als mit ihm »La ilaha illa llah« zu beten. Es gibt keinen Gott außer Gott. Seine Antwort war kaum mehr als ein Hauch: »Und Mohammed ist sein Prophet.« Zahra schätzte, dass er höchstens zwei Jahre älter als Abdarrahman war. Er atmete noch einen kurzen Moment, dann sank sein Kopf zur Seite, und Zahra schloss ihm die Augen.
     
    Bis zum Nachmittag hatte Zahra zwei Dutzend Verletzte versorgt, wobei ihr noch drei weitere Männer unter den Händen wegstarben. Für einen Mann mit einer Bauchwunde kam jede Hilfe zu spät, ein anderer verblutete, weil sie erst nach ihm sehen konnte, als sie die Wunde eines anderen Aufständischen genäht hatte, der dritte hatte eine komplizierte Rippenfraktur und erstickte vor ihren Augen. Immer wieder drängte Zahra die Männer, die stets neue Verwundete brachten, dass sie endlich einen Arzt oder zumindest einen
dschabbar,
einen Bader, auftreiben sollten, doch erst am späten Nachmittag brachten sie jemanden. Sein Name war Taufiq, und er war Medicus – für mehr Kommunikation war keine Zeit.
    »Kommt schnell!«, drängte Zahra ihn und führte den Mann, der nur wenig älter als sie zu sein schien, zu einem jungen Studenten, dessen Hand nur noch halb am Arm hing. »Ich flehe Euch an, tut etwas! Heute früh ist mir schon jemand mit so einer Verletzung weggestorben, und für einen Tag habe ich wahrlich genug Tote gesehen!«
    Ohne ein Wort zu verlieren, bereitete Taufiq das vollständige Abtrennen der Hand vor und kauterisierte den Armstumpf; danach ging es Schlag auf Schlag. Erst Stunden später kam er dazu, Zahra beim gemeinsamen Versorgen eines Schwerverletzten zu erzählen, dass er sich bis zu seinem Kommen im östlichen Teil des Albaicíns um Verwundete gekümmert hatte, aber dann waren die königlichen Truppen ihrem Unterschlupf so nahe gekommen, dass sie die Versehrten an einen anderen Ort hatten bringen müssen, wo es schon einen Arzt gab, so dass man ihn hierhergebeten hatte. »Ich finde es beeindruckend, dass Ihr dies alles bisher ganz allein gemeistert habt!«
    »Habe ich eben nicht, sonst hätten wir jetzt vier Tote weniger«, knurrte Zahra und eilte zu

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