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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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aufgescheuchte Hühner herumstiebenden Dienerinnen und ließ sich von ihr beim Hinknien helfen. Ohne ein Wort zu sagen, betrachtete sie die Wunde, roch an ihr und ließ sich die Schüsseln mit dem heißem Wasser und dem Essig reichen, um sich die Hände zu reinigen. Anschließend trocknete sie sie mit einem sauberen Leinentuch, tippte mit dem Zeigefinger kurz auf die Wunde und danach mit dem gleichen Finger auf ihren Handrücken, um festzustellen, wie klebrig und zähflüssig der Eiter war. Dann wusch sie sich erneut die Hände.
    »Tamu, bitte, jetzt sag doch endlich was!«, flehte Abdarrahman.
    »Als Erstes muss das tote Fleisch weggeschnitten, die Wunde gründlich gespült und dann neu zugenäht werden«, brummte die Alte. »Und bis dies gemacht ist, wird mir schon irgendetwas einfallen.«
    Tamu forderte Zahra auf, das Wegschneiden des toten Fleischs und das Nähen zu übernehmen, weil sie befürchtete, dass ihre alten, in letzter Zeit oftmals allzu zittrigen Hände dafür nicht mehr taugten. Als Zahra den letzten Stich gesetzt hatte, brummte die Alte: »Mhm, das könnte gehen.«
    Zahra schaute zu ihr auf. »Was meinst du?«
    »Honig«, gab Tamu zurück und erhob sich ächzend.
    »Honig?« Zahra riss die Augen auf. »Was willst du denn mit Honig? Tamu, du hast doch gesehen, wie entzündet die Wunde ist – oder etwa nicht?«
    »Tamu, Mutter hat recht!«, begehrte auch Abdarrahman auf. »Wir brauchen Kräuter, die besten, die du hast!«
    Tamu schüttelte den Kopf. »Ihr habt mich nach meiner Meinung gefragt, und das ist sie: Honig. Allerdings nicht irgendein Honig, sondern diesen neuen, den ich letzten Herbst gekauft habe.«
    Die Alte ging in ihre Kammer und kehrte kurz darauf mit einem kleinen, tönernen Gefäß zurück. Sie hob den Deckel an und ließ Zahra riechen. Der Honig roch würzig, fast streng.
    »Hast du in dem Honig Kräuter eingelegt?«
    »Nein, aber trotzdem liegt Ihr nicht ganz falsch«, bekannte die alte Berberin und sprach leise weiter. »Es ist ein besonderer, ein ganz besonderer Honig sogar! Er hat mich ein kleines Vermögen gekostet. Die Bienen sammeln diesen Honig in einem Gebiet, in dem viele wunderwirksame Kräuter wachsen. Ich habe ihn von einem von Dorf zu Dorf ziehenden
dschabbar
gekauft«, sie legte Zahra, die ihr gerade vehement widersprechen wollte, beschwichtigend die Hand auf die Schulter, »und ihn natürlich auch schon ausprobiert. Einer der Hengste hatte sich im Winter beim Kampf um eine rossige Stute eine hässliche Bisswunde zugezogen, die trotz aller Kräuterbehandlungen immer schlimmer wurde. Jaime hatte das Tier schon töten wollen, als mir der Honig wieder einfiel. Nach nur drei Tagen war die Wunde so gut wie abgeheilt!«
    »Aber das war ein Pferd, Tamu«, empörte sich Abdarrahman, »und Musheer ist …«
    »Ob Mensch oder Tier …« Tamu schüttelte den Kopf, und ehe er oder Zahra noch mehr sagen konnten, entnahm sie einen vollen Löffel aus dem Gefäß und strich ihn behutsam auf die Wunde. Zahra krauste die Stirn, da sie aber auch keinen besseren Vorschlag hatte, schwieg sie ebenso wie Abdarrahman, dem der kalte Schweiß auf die Stirn getreten war.
    »Und was, wenn auch das Musheer nicht wieder gesund macht?«, brach es mit zittriger Stimme aus ihm heraus.
    Zahra drückte ihm die Hand. »Wir müssen auf den Allmächtigen vertrauen. Du weißt: Alles Leben und Sterben liegt allein in seiner Macht!«
    Abdarrahman entriss ihr seine Hand. »Aber …«
    »Nein, Abdu, kein Aber!« Zahra sah ihn nachdrücklich an und verband dann Musheers Wunde mit einem Leinentuch, das zuvor ausgekocht worden war. Weder sie noch Abdarrahman wichen dem jungen Mann in den nächsten Stunden von der Seite. Zu ihrer Enttäuschung konnten sie jedoch keinerlei Besserung feststellen; Musheers Fieber stieg im Laufe des Abends sogar noch an, auch das Bewusstsein erlangte er nicht wieder.
    Als der Morgen graute, nötigte Zahra ihren Sohn, sich neben Musheer zu legen und wenigstens eine Stunde zu schlafen.
    »Aber wenn er …«
    »Pst, Abdu, pst. Es ist der Allmächtige, der entscheidet, nicht du!«
    Abdarrahman war zu erschöpft, um weiter Widerstand zu leisten, und sank auf die Strohmatte neben Musheers Lager. Zahra strich ihm übers Haar und betete für Musheer. Hoffnung hatte sie keine mehr.
     
    Am nächsten Morgen ging es auch Zahra nicht gut. Die Aufregungen der letzten Wochen und die durchwachte Nacht forderten ihren Tribut, wobei ihr der Bruch mit Jaime am meisten von allem zu schaffen machte.

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