Das Geheimnis der Maurin
abendliche Rückkehr. Erst mit dem letzten Licht des Tages ritt er in den Hof ein und wirkte so müde und enttäuscht, dass Zahra das Schlimmste befürchtete. Ein Blick in Jaimes Augen bestätigte ihr: Ja, Tendillas Entscheidung war gefallen, und sie war nicht gut für die Mauren.
Zahra bat ihn, mit ihr in den Patio hinter dem Haus zu kommen, und machte auch Raschid, der kurz darauf erschien, Zeichen, noch niemandem etwas zu sagen. Es war ihr lieber, wenn Abdarrahman diese Nachrichten nicht von seinem Vater, sondern von ihr vernahm. Seit Jaime wieder auf der Farm lebte, waren die beiden sich tunlichst aus dem Weg gegangen, und Zahra hatte Angst, dass die Konfrontation zwischen ihnen nun, da die Entscheidung gefallen war, unausweichlich sein würde.
Wortlos ging sie voran zu dem hohen, alten Maulbeerbaum, der sich mit seinen frühlingsfrischen Blättern wie ein Schirm über den hinteren Teil des Patios ausbreitete. Die Hände im Rücken gegen den Stamm pressend, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sah zu Jaime auf. »Dann heraus damit: Was hat Tendilla mit uns vor?«
Jaime zog die Schultern hoch. »Es wird dir nicht gefallen, und auch mir gefällt es nicht, aber ehe du mich attackierst, lass dir zumindest sagen, dass es die Mauren schlimmer hätte treffen können – und dass Musheers Bruder seit heute Morgen ebenso wieder auf freiem Fuß ist wie dieser Assad und die beiden Faqihs … dank Talavera! Außerdem konnte Talavera für einen Teil der Aufständischen sowohl die Ausweisung als auch die Zwangstaufe verhindern: Es gibt die Möglichkeit, sich mit einem Bußgeld freizukaufen.«
»Wie hoch ist es?«
»Fünfzigtausend Ducados.«
»Fünf… fünfzigtau…« Zahra krallte ihre Nägel in die Baumrinde. »Aber das können wir niemals aufbringen, und die meisten anderen auch nicht!«
Mit einem Seufzen strich sich Jaime die Locken über der Stirn zurück. »Das Geld für Abdarrahman habe ich … besorgt.«
Zahra sah ihn verblüfft an. »Diese riesige Summe? Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch. Ich … Es kommt von Gonzalo.«
Zahras Erstaunen nahm noch zu. Weder hatte sie gewusst, dass Gonzalo von Neapel zurück war, noch hätte sie sich jemals vorstellen können, dass Jaime gerade ihn um Hilfe bitten würde. Sie ahnte, welche Überwindung ihn das gekostet haben musste – und dass es gleichzeitig Abdarrahmans einzige Chance war. Auch wenn Raschid gemeint hatte, dass Abdarrahman jederzeit auf ihn zählen könne – ganz gewiss hätte er nicht einen großen Teil ihres Landes verkauft, nur um den Kopf seines Neffen aus der Schlinge zu ziehen. Immerhin war Raschid gegen den Aufstand gewesen, wie er überhaupt schon zeit seines Lebens Gewalt abgelehnt hatte …
»Aber wie sollen wir ihm das je zurückzahlen?«
»Das lass meine Sorge sein.« Jaimes Miene verschloss sich. »Allerdings erwarte ich, dass Abdu und ihr alle euch künftig von jedweder Art von Widerstand gegen die Christen fernhaltet!«
»Aber …«
»Nein, Zahra, kein Aber! Ein Aber darfst du in Zukunft noch nicht einmal denken, und das musst du auch unseren Söhnen klarmachen, denn wenn überhaupt, hören sie in diesem Punkt ohnehin nur auf dich! Dieses Mal kann ich Abdu noch retten, ein zweites Mal wird dies nicht möglich sein!«
Zahra öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne etwas zu erwidern. Sie rechnete es Jaime hoch an, dass er Abdarrahman half, und sie wusste, wie schwer es ihm gefallen sein musste, gerade Gonzalo um Hilfe zu bitten, doch ihr war auch ganz klar, dass sich Abdarrahman in einem ähnlichen Fall nicht anders verhalten würde. Du kannst ihn nicht kaufen, schoss es ihr durch den Kopf, nicht ihn und nicht mich und nicht die Mauren. Es geht und es ging schon die ganze Zeit um unseren Glauben, die
umma,
unsere Identität, und das ist uns mehr wert als unser Leben!
»Was …« Sie zögerte. »Was geschieht mit denen, die das Bußgeld nicht aufbringen können?«
»Sie müssen das Land verlassen – oder sich taufen lassen und fortan als gute Christen leben.«
»Aber hast du nicht eben gesagt, es wird weder Zwangstaufen noch Ausweisungen geben?«
»Nein, ich habe nur gesagt, dass es dank Talavera eine Möglichkeit gibt, beidem zu entgehen.« Auf Jaimes Stirn erschienen tiefe Furchen. »Zum Donner, Zahra, was willst du eigentlich noch? Nicht ich habe mir diese Strafen ausgedacht – und überdies habe ich das Bußgeld für Abdu aufgetrieben, und du kannst dir vielleicht vorstellen, wie schwer …«
Zahra hob
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