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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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ein Auge zu und erwachte nachts aus Alpträumen, in denen unter dem Hochzeitsschleier eine dreiäugige Hexe ohne Nase zum Vorschein kam.
    Vier Tage vor dem Hochzeitstermin bezog Adilah mit ihrer Familie einige Gästezimmer auf der Seidenfarm. Sie sollte mit den Frauen der beiden Familien die üblichen Riten zelebrieren, zu denen auch der Besuch im Hammam des Nachbarorts gehörte: Am Tag vor der Hochzeit würde die junge Braut dort epiliert, mit aromatischen Duftölen massiert, für ihren großen Tag frisiert und ihre Hände mit Henna bemalt werden, wobei die Farbe Rot Fruchtbarkeit symbolisierte und als Sinnbild für eine große Liebe, zahlreiche Kinder und Wohlstand stand.
    Vom Tag ihrer Ankunft an stromerte Abdarrahman in jeder freien Minute um den Frauentrakt herum, doch ein jeder im Haus achtete darauf, dass er ihn nicht zu betreten wagte. Wenigstens erfuhr Abdarrahman von seiner Mutter, dass sich Adilah zu einer sehr schönen, ja geradezu lieblichen Frau weiterentwickelt hatte, was Chalida ihm breit grinsend bestätigte. Doch statt sich nun zu beruhigen, stachelte diese Auskunft seine innere Not sogar noch mehr an.
    Am Tag vor der Hochzeit, vor dem Aufbruch zum Hammam, gelang es ihm endlich, eine der für die Hochzeitsfeierlichkeiten gemieteten Dienerinnen mit einem Goldstück zu bestechen. Die Dienerin versprach, Adilah auf dem Weg aus dem Haus in den Patio zu locken, wo er sie, hinter den Hecken versteckt, erwarten wollte. Später wollte sie behaupten, sich in der Tür geirrt zu haben, was ihr, da sie erst seit zwei Tagen hier war, gewiss jeder glauben würde. Zitternd vor Erwartungsfreude, hockte Abdarrahman nun schon seit einer guten Stunde hinter der Hecke und hätte nicht mehr zu sagen vermocht, ob er vor Aufregung oder wegen der heiß niederstechenden Sonne so erbärmlich schwitzte. Endlich, endlich öffnete sich die Haustür, und die Dienerin geleitete eine zierliche kleine Frau in den Patio, deren Gesicht nur unvollständig mit dem Hidschab verhüllt war. Es waren kaum drei Sekunden, die Abdarrahman Adilahs Gesicht zu sehen vermochte, dann merkte Adilah den Irrtum der Dienerin und kehrte ins Haus zurück, aber diese wenigen Sekunden reichten, um Abdarrahman fortan einen halben Spann über dem Boden schweben zu lassen.
    »Ihre Augen sind sanfter als die eines Engels, und ihr süßes kleines Gesicht so liebreizend und wunderschön …«
    »Hör auf, hör auf!«, lachte Musheer ihn aus. Er war für die Hochzeit auf die Farm zurückgekehrt und musste sich nun bereits seit etlichen Minuten Abdarrahmans Schwärmereien anhören. »Sonst erzähle ich Adilahs Eltern von deinem Betrug, und so strenggläubig, wie sie sind, lassen sie die Hochzeit dann sicher platzen und nehmen ihren Augapfel lieber mit nach Marokko, wo es gesittetere junge Männer als dich gibt!«
    Gutmütig stimmte Abdarrahman in sein Lachen ein, und in der Tat wäre es für ihn höchst unangenehm gewesen, wenn seine Eltern oder seine künftigen Schwiegereltern von seinem kleinen Betrug erfahren hätten.
    In der Nacht vor der Hochzeit bekam Abdarrahman kein Auge zu. Er erlebte seine Trauung wie im Fieberwahn, einen einzigen, langen, nicht enden wollenden Rausch – und war in der Hochzeitsnacht selbst so aufgeregt und nervös, dass er seiner blutjungen Gattin erst kurz vor Sonnenaufgang beiwohnen konnte, aber dies mit all der Zärtlichkeit und Vorsicht, derer er fähig war – und was immer noch rechtzeitig war, um der gespannt wartenden Familie vor dem Frühstück das Bettlaken mit dem Jungfernblut vorführen zu können.
    Es war eigenartig: Er, der bisher immer so ernst und geradlinig, fast schon steif gewesen war, gewann dem Leben plötzlich auch eine leichte Seite ab. Er lachte, scherzte, sang fast, wenn er sprach – und ganz besonders, wenn er von ihr sprach: seiner Adilah, was übersetzt »eine, die richtig handelt« bedeutete. Für ihn schien sie allerdings die Richtige, die einzig Richtige zu sein – und er der einzig Richtige für sie. Ja, auch Adilah war trotz ihrer Schüchternheit anzumerken, dass sie Abdarrahman tief und innig liebte, und bei so viel Einklang und Verbundenheit war es kein Wunder, dass sich ihre Eingliederung in die Familie ohne Probleme vollzog. Alle mochten das kluge, bescheidene Mädchen, ihre stille, hilfsbereite Art, und Zahra bildete keine Ausnahme. Die Einzige, die eine spürbare Distanz zu Adilah beibehielt, war Chalida. Als Zahra sie fragte, was sie gegen das zuvorkommende Mädchen habe, erwiderte

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