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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Abend in den Wohnraum treten sah, verriet ihr seine tief gefurchte Stirn auf den ersten Blick, dass die Stunde der Mauren geschlagen hatte. Um es ihm nicht noch schwerer zu machen, setzte sie sich auf dem Diwan, auf den Tamu sie verbannt hatte, ein wenig auf, strich sich über den mittlerweile deutlich gewölbten Leib und bemühte sich, ihm so gleichmütig entgegenzusehen, wie es ihr nur möglich war. Ihr Blick streifte Adilah, die zu ihren Füßen auf einem Sitzkissen saß und unter Deborahs geduldiger Anleitung an einem Hidschab stickte, während Abdarrahman Gedichte aufschrieb, die er früher, als sie noch Bücher besessen hatten, auswendig gelernt hatte. Er wollte, dass sie seinem Sohn wenigstens auf diese Art und Weise erhalten blieben. Anschließend wollte er sich wieder seinen Studien widmen, mit denen er dank des Baders, bei dem er seit letztem Jahr drei Tage in der Woche arbeitete, wieder recht gut vorankam. Bei Jaimes Eintreten sahen auch sie zu ihm auf. Zahra nickte ihm zu. »Bringen wir es hinter uns: Was haben die Könige mit uns vor?«
    Jaime strich sich über die Nase und begann mit seinem Bericht, zuerst schleppend, dann immer hastiger, geradezu als müsse er dies alles, nachdem er einmal begonnen hatte, jetzt so schnell wie möglich loswerden. Bei jedem weiteren Detail über das »Moriskenedikt«, das am Morgen erlassen worden war, wurden seine vier Zuhörer bleicher – und als er von der Zwangstaufe sprach, sank Zahra schwer atmend zurück auf ihr Kissen und verlor das Bewusstsein. Erschrocken eilte Jaime zu ihr, rief wieder und wieder ihren Namen und tätschelte ihr die Wangen. Doch erst als Tamu auf Adilahs Hilferuf hin eine Riechessenz aus Hirschhornsalz und Pfefferminzöl unter Zahras Nase geschwenkt hatte, kam Zahra wieder zu sich. Betroffen knetete Jaime ihr die Hand. »Ich … ich wusste, dass ich es dir nicht hätte sagen sollen!«
    Zahra schüttelte matt den Kopf. »Irgendwann hätte ich es ja doch erfahren, und ich … wollte es doch wissen.«
    »Ich bitte dich, versuch es so zu nehmen, wie du es damals Deborah geraten hast: Auch die Taufe wird nichts daran ändern, dass du in deinem Herzen zu dem Gott betest, an den du glaubst!«
    »Und genauso ist es, Zahra!«, sagte Deborah mit eindringlichem Blick. »Man entfernt sich von seinem Gott nicht, nur weil die Christen einem ein Kreuz mit Weihwasser auf die Stirn streichen!«
    »Außerdem hat Raschid mir gesagt, dass der Mufti eine Fatwa herausgeben wird: Kein Muslim, der sich dem Zwang der Christen beugt, die Taufe anzunehmen, braucht Angst vor ewiger Verdammnis zu haben, solange er in seinem Denken und Glauben weiter Muslim bleibt!«
    Zahra nickte und legte sich die Hand auf den Bauch. »Weit mehr Sorgen als um mich mache ich mir um die Kinder. Jaime, bitte, du musst mir schwören, dass auch dieses Kind, sofern es ein Sohn wird, beschnitten wird, und dass du mich nie daran hindern wirst, mit meinen Kindern die fünf Gebete zu beten und sie in meinem Glauben zu unterweisen. Schwöre es!«
    Jaime schloss die Augen, und Zahra ahnte, was in ihm vorging. Natürlich würde es, wenn sie erst einmal getauft waren, gefährlich sein, weiter ihren alten Glauben auszuüben. Gewiss würden die Christen nach den neuen Zwangstaufen noch weit mehr als bisher kontrollieren, was in den Häusern der »Neuchristen« vor sich ging. Nichts mehr würde so sein wie zuvor: Wenn es offiziell keine Muslime mehr gab, würden die Christen ihre Moscheen gewiss genauso schließen wie damals die Synagogen oder, was noch schlimmer war, sie weihen und fortan als Kirchen nutzen. Nie mehr würde in Granada der Ruf des Muezzins erklingen … Nie mehr würde sie das Freitagsgebet in einer Moschee beten können … Und all ihre Feste, ihre Sitten, ihre Riten … Das Schächten zum Beispiel, ihre Art des Schlachtens, bei der den Tieren mit einem besonderen Messer und einem einzigen Schnitt quer durch die Halsunterseite die großen Blutgefäße, die Luft- und die Speiseröhre gleichzeitig durchtrennt wurden – gewiss würde ihnen auch das verboten werden. Doch nur auf diese Art war das rückstandslose Ausbluten des Schlachtviehs gewährleistet, und nur solches Fleisch durften sie essen, da genau wie im Judentum auch im Islam der Verzehr von Blut verboten war. Ob sie es wagen könnten, zumindest hier draußen auf der Farm weiter zu schächten?
    Und dann all die anderen Dinge, die sie würden verraten können: Der arbeitsfreie Tag der Christen war der Sonntag, ihrer aber

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