Das Geheimnis der Maurin
zwei Soldaten, die ihnen bestätigten, dass Carlos Sánchez in der Stadt war, und ein anderer wollte auch Pedro Pulgar gesehen haben. Und endlich tauchte eine ihrer Wertsachen auf: ein goldener Diamantring, der Zahras Mutter gehört hatte. Als Jaime Zahra den Ring reichte, brach sie in Tränen aus. »Ja, natürlich ist das der Ring meiner Mutter! Vater hatte ihn ihr zu Raschids Geburt geschenkt. Schau, da ist das Datum eingraviert!«
»Dann habe ich mich also nicht geirrt«, brummte Jaime.
»Jaime, wer sagt dir eigentlich, dass sie nicht bloß hier sind, um unsere Sachen zu verkaufen? Vielleicht …« Zahra holte tief Luft. »Vielleicht haben sie Chalida gar nicht mehr bei sich …«
»Diese beiden Männer sind die einzige Spur, die wir haben, und bevor sie in Granada angekommen sind, hatten sie Chalida definitiv noch bei sich. Glaub mir: Wenn ich sie in die Finger kriege, werde ich aus ihnen herausprügeln, wo unsere Tochter ist!«
Jaime drückte ihr den Ring ihrer Mutter so nachdrücklich in die Hand, als sollte es ein Pfand für sein Versprechen sein, und wandte sich wieder zum Gehen. Nachdem er nun sicher war, dass dieses Schmuckstück Zahras Mutter gehört hatte, war er guter Dinge, dass auch sein nächster Weg von Erfolg gekrönt sein würde: Am Morgen hatte ihm jemand den Namen eines Soldaten genannt, der mit Carlos Sánchez gesprochen haben sollte. Mit ein bisschen Glück müsste er den Soldaten um diese Tageszeit in der Alhambra antreffen.
Als Jaime dort ankam, standen am Tor noch mehr Wachen als üblich, woraus er schloss, dass hoher Besuch gekommen war. In regelmäßigen Abständen trafen Granden oder Kirchenmänner ein, die Isabel für eines der vielen leitenden Ämter in ihrer frisch eroberten Stadt vorgesehen hatte. Am dreiundzwanzigsten Januar hatte sie ihren Beichtvater Hernando de Talavera offiziell zum Erzbischof Granadas ernannt, und am Tag danach war ein Jude aus Sevilla angereist, den Isabel mit dem Amt des Schatzmeisters betraut hatte. Allmählich fragte sich Jaime, ob Isabel in Granada halb Kastilien mit Ämtern versorgen wollte, nur damit sie endlich den »Maurengeruch« aus der Nase bekam. Zutrauen würde er es ihr …
Da die Torwächter ihn mittlerweile kannten, gelangte Jaime ohne Verzögerung in die Alhambra. Eine der Wachen verriet ihm, dass Fray Diego de Deza, der Privatlehrer und Tutor des Thronfolgers, von seiner Kurzreise zurückgekehrt war.
»Ihr hättet hören sollen, wie er bei seinem Einzug über die Mauren gewettert hat«, fuhr der Mann mit heißen Wangen fort. »Also, wenn Ihr mich fragt, wird er auch diesmal nicht lange hierbleiben, sondern zusehen, dass sein Schützling möglichst bald mit ihm abreist und erst wiederkommt, wenn die Stadt von den muslimischen Götzendienern gesäubert ist!«
Jaime dankte ihm für die Auskünfte und bot Zahra in Gedanken Abbitte, dass er die Mauren mit keiner Silbe in Schutz genommen hatte, aber er wusste, dass er sich damit nur Feinde schaffen konnte – und wenn er Chalida finden wollte, konnte er sich das derzeit kaum erlauben.
Als Jaime an den königlichen Ställen vorbeikam, sah er den jugendlichen Prinzen, begleitet von einer stattlichen Anzahl schwer bewaffneter Leibwächter, im Gespräch mit seinen Pagen Diego und Hernando Colón und hörte, wie ihm die Söhne des genuesischen Seefahrers von der für den Sommer geplanten Indienreise ihres Vaters vorschwärmten.
»Es steht jetzt fest, dass er im August aufbrechen wird«, erzählte Diego, und Hernando fiel eifrig ein: »Wie es aussieht, wird er mit der Karacke
Santa Maria
und den beiden Karavellen
Niña
und
Pinta
lossegeln.«
»Ach, ich kann es kaum erwarten, dass euer Vater wieder vorbeikommt und er mir noch mehr von seinen Reiseplänen erzählt«, seufzte Juan.
Obwohl Jaime den Prinzensohn schon viele Jahre nicht mehr gesehen hatte, erkannte er ihn sofort wieder. In der Miene des immer noch verträumt wirkenden Vierzehnjährigen entdeckte er rein gar nichts von der eisernen Entschlossenheit seiner Mutter oder von der listigen Schläue seines Vaters – beides sah er nicht als Nachteil, ja, es machte ihm sogar Hoffnung für die Zukunft dieses Landes, und entsprechend leicht fiel es ihm, die gleiche Zuneigung zu dem Jungen zu spüren, die er auch früher stets bei seinem Anblick empfunden hatte.
Auf der anderen Seite des Prinzen stand Don Juan Zapata. Ihm oblag die körperliche Ertüchtigung des königlichen Sohnes, wozu auch der Reitunterricht zählte. Heute wollte er
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