Das Geheimnis der Maurin
ihm einen neuen, prächtigen Araberhengst vorführen, doch der Junge war so gebannt von den Erzählungen seiner Pagen, dass er noch nicht einmal zu ihm hinsah. Immerhin interessierten sich die Leibwachen des Prinzen für das wundervolle Tier.
»Oh, stellt euch vor, euer Vater findet wirklich eine Seeroute nach Indien«, seufzte Juan und trat noch einen weiteren Schritt zu den Kolumbus-Söhnen hin und damit von seinen Leibwächtern weg. Inzwischen hatten diese allesamt nur noch Augen für den Rappen. Als Jaime schon fast an dem Prinzen vorbeigegangen war, wurde er auf einen Fremden aufmerksam, der mit seltsam verkrampften und überaus zielstrebigen Schritten auf den jungen Thronfolger zueilte. Ohne dass Jaime es hätte begründen können, zog es ihn näher und näher zu den drei Jungen, und plötzlich sah er, wie der Fremde einen Langdolch zückte und auf den Prinzen zuschoss. Jaime stieß einen Warnschrei aus, wartete allerdings nicht, dass die Leibwächter reagierten, sondern rannte selbst auf den Attentäter zu und sprang ihn an. Nach einem kurzen Gerangel konnte er ihn von Juan weg und mit sich zu Boden reißen. Das Messer fiel neben sie, und als er den Mann schon überwältigt zu haben glaubte, entglitt ihm noch einmal dessen Arm, und auf einmal hatte der Attentäter wieder das Messer in der Hand. Jaime sah die Hand auf sich zurasen, doch noch ehe er sich zur Seite rollen konnte, drang das Messer mit Wucht in seine rechte Schulter ein, und in der nächsten Sekunde versetzte der Fremde ihm einen so harten Tritt, dass Jaime mit dem Kopf gegen die Pferdetränke krachte. Stöhnend wollte er aufstehen – doch es gelang ihm nicht. Wie durch einen Schleier sah er, wie Juans Leibwächter endlich ihre Schwerter zogen und sie dem Attentäter beinahe gleichzeitig in den Leib stießen. Jaime ließ den Kopf zurücksinken und fasste nach seiner Wunde; seine Hand versank im Blut. Er fluchte, versuchte erneut, sich aufzurichten, doch mit einem Mal drehte sich alles um ihn, seine Umgebung schien sich von den Rändern her aufzulösen – und im nächsten Moment war alles schwarz um ihn.
Als Jaime zu sich kam, blickte er in Zahras tiefblaue Augen – und war sich sicher, sie noch nie so vor Zorn sprühend gesehen zu haben.
»Zahra …«, stöhnte er, doch die Frau seines Herzens fiel ihm wütend ins Wort: »Du wolltest Auskünfte über diesen Sánchez einholen, damit wir unsere Tochter endlich wiederfinden, und was machst du stattdessen? Du lässt dich für den kastilischen Thronfolger aufspießen!«
Jaime versuchte, sich aufzusetzen, doch sogleich schoss ihm ein scharfer Schmerz in die Schulter und zwang ihn, sich zurücksinken zu lassen. Auch das dumpfe Pochen in seinem Schädel lähmte ihn. Er schloss die Augen und wartete, dass die Schmerzen nachließen, sich der dichte Nebel in seinem Kopf verzog und er die Erinnerungsfetzen in eine sinnvolle Reihenfolge bringen konnte. Als er die Augen wieder öffnete, schien Zahras Wut immer noch nicht verraucht.
»Was, beim Allmächtigen, haben wir mit den Kastiliern zu schaffen?«, fuhr sie ihn an. »Haben sie uns nicht ohnehin schon alles genommen? Wie kannst du nach alldem, was sie uns angetan haben, den Prinzen verteidigen?«
Das war Krieg, Zahra, aber der Krieg ist jetzt vorbei, lag Jaime auf der Zunge, aber ihm war klar, dass er sie mit diesem Satz nur noch mehr in Rage bringen würde. Zornbebend wandte sie sich von ihm ab, trat ans Fenster und krallte ihre Finger in das Geflecht des davor angebrachten Mashrabiya-Gitters.
»Zahra, so versteh doch«, bat Jaime. »Ich … das war … Mein Gott, in so einem Moment denkt man doch nicht groß nach! Ich habe das Messer gesehen, mit dem der Kerl Juan niederstechen wollte, und habe instinktiv reagiert, wie es wohl jeder in meiner Lage getan hätte.«
»Jeder?« Zahra schoss zu ihm herum. »Und wo waren seine Leibwächter, die dafür bezahlt werden, dass sie den Kopf für ihn hinhalten? Jaime, statt mir unsere Tochter wiederzubringen, hast du dich in Lebensgefahr gebracht und den Sohn unserer Feinde gerettet!«
Jaime schloss kurz die Augen. Sohn unserer Feinde, Sohn unserer Feinde … »Für mich ist Juan vor allem ein Mensch«, presste er schließlich hervor. »Verdammt, Zahra, ich kenne Juan, seit er in Yayahs Alter war!«
Dass er überdies lange genug für die kastilische Krone gekämpft hatte, um sich ihr zumindest noch so weit zugehörig zu fühlen, dass er für das Leben der königlichen Kinder jederzeit das seine
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