Das Geheimnis der Maurin
sind, wie sie sind!«
Zahra wagte erneut einen schnellen Blick zu ihm. »Das … das weiß ich. Und auch, dass du im Grunde nur um unser aller Sicherheit besorgt bist.«
Er nickte. »Und auch als ich gesagte habe, dass Abdu getauft werden sollte, hatte ich nichts anderes im Sinn! Zahra, du siehst doch selbst, welches Damoklesschwert jetzt mit einem Mal über den Juden hängt. Noch gestern hätte niemand für möglich gehalten, dass dies je geschehen könnte. Und wenn man einmal von dem ganzen Elend und Leid absieht, das dadurch unter den Juden ausgelöst werden würde – ich kann mir im Moment noch nicht einmal vorstellen, wie Kastilien ohne die Juden auskommen soll! Immerhin gibt es kaum ein kastilisches Adelshaus, das nicht bei einem Juden einen mehr oder minder hohen Kredit hat und das den auswandernden Juden dann dies Geld zurückgeben müsste. Der größte Schuldner der Juden ist das Königshaus selbst! Und nebenbei bemerkt, gibt es auch kaum ein kastilisches Adelshaus, in dem es keinen Juden gibt. Auch die anderen wirtschaftlichen Folgen für das Land sind kaum abzusehen: Fast alle Steuereintreiber Kastiliens sind Juden, weil dieser Beruf Christen verboten ist, die Ärzte in Kastilien sind ebenfalls zumeist jüdischer Abstammung – wovon auch die Ärzte der Könige nicht ausgenommen sind! Und all die Diplomaten … Wie, um Himmels willen, wollen die Könige ohne die Juden und ihre reichen Sprachkenntnisse und Kontakte die Staatsgeschäfte führen? Und dann die Unmengen von jüdischen Lehrern an den Universitäten und erst die Handwerker! Wenn die christlichen Könige an dem Edikt festhalten, werden sie das Land ausbluten! Selbst aus rein egoistischen Gründen müssten die Könige das Edikt zurücknehmen, und aus menschlichen sowieso … Mein Gott, wie groß muss der Hass der Königin auf die jüdische Religion sein, wenn sie zu einer solchen Maßnahme greift? Und sie ist doch zugleich auch eine Frau, eine Frau mit Kindern … Glaub mir, Zahra, ich bin ebenso fassungslos wie ihr, und deswegen war es mir wichtig, zu euch zu gehen und euch zu sagen, dass ich bei euch bin und mit euch fühle! Und auf eurer Seite stehe, und zwar nur auf eurer!«
Zahra tat einen zögerlichen Schritt auf ihn zu. »Und Abdu?«, fragte sie leise. »Bist du … noch immer dagegen, dass … dass er …«
Jaime nahm ihre Hand und zog sie an sich. »Ach, Zahra, natürlich wäre es mir lieber, wenn wir die Kinder taufen lassen würden, aber andererseits verstehe ich auch, dass ihr euch gerade jetzt etwas bewahren müsst, was zu euch gehört und vielleicht das Einzige sein wird, was euch in Zukunft noch bleibt: euren Glauben!«
Dankbar drückte Zahra ihm die Hand, und als Jaime noch einen kleinen Schritt weiter auf sie zutrat, wagte sie kaum noch zu atmen. Jetzt küss mich endlich!, knurrte sie ihn innerlich an, und als in seine Augen ein freches Blitzen trat, wurde ihr klar, dass er ganz genau wusste, wie sehr sie sich nach ihm sehnte – und wie sehr er es genoss, sie wenigstens in diesem Punkt zappeln zu lassen.
»Verdammter Mistkerl«, raunte sie da, drückte sich mit einem breiten Grinsen an ihn und küsste ihn, woraufhin auch er sich nicht länger zurückhielt und sie mit einem leidenschaftlichen Aufstöhnen in die Arme schloss. Auf einmal flog die Tür hinter ihnen auf. Es war Chalida, die wie immer ihren Hund im Schlepptau hatte. Als sie sah, dass ihr Vater zurück war, flog sie mit einem seligen Aufschrei auf ihn zu, und Jaime fing sie auf.
»Mein Kätzchen, ach, mein kleiner Liebling!«, seufzte er und wirbelte sie im Kreis.
Zahra gönnte ihrer Tochter ihre Freude aus ganzem Herzen, zumal sie in diesen Tagen, als Jaime nicht da gewesen war, nachts immer wieder schreiend aus dem Schlaf hochgeschreckt und auch sonst sehr ängstlich gewesen war. Doch auch etwas anderes schoss ihr durch den Kopf – Tamus Warnung, dass sie, wenn sie jemals Jaime verlieren würde, auch Chalida verlor, weil diese nichts und niemanden so sehr liebte wie ihren Vater. Aber ich werde ihn nicht verlieren, sagte sie sich da schnell. Und in der Tat schienen die Probleme, die sie gehabt hatten, fürs Erste beigelegt zu sein. Doch tief in ihr drinnen wusste sie, wie bedroht ihre Liebe in diesen Zeiten war, bedroht durch Umstände, die sie alle nicht zu verantworten hatten, bedroht durch die Edikte und Erlasse und Entscheidungen von den Katholischen Königen und ihren Inquisitoren. Und nichts, rein gar nichts, konnte sie gegen sie
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