Das Geheimnis der Maurin
bitte dich auch, ihr nichts davon zu sagen!«
Zahra nickte und wollte sich erheben, um schlafen zu gehen, doch Raschid hielt sie zurück. »Warte, ich muss dir noch etwas zeigen!«
Er nahm seine Geldkatze und zog ein Schmuckstück daraus hervor: Es war ein rubinroter Anhänger, in dessen Mitte ein tiefblauer Saphir eingelassen war. Auf den ersten Blick erkannte Zahra das Schmuckstück als eines ihrer Mutter wieder. Sie legte es in ihre Handfläche. »Woher hast du das?«
»Von einem Schmuckhändler. Jaime und ich haben einigen Händlern der Stadt genau beschrieben, welche Schmuckstücke uns gestohlen wurden. Als Faisal dieses hier angeboten wurde, hat er mich holen lassen.«
»Aber von wem hat er es? Pulgar und Sánchez sind doch tot … Oder hatte er es schon länger?«
»Nein, nein, er hat es erst heute früh angeboten bekommen. Und wir hatten ja von Anfang an vermutet, dass hinter Pulgar und Sánchez ein Auftraggeber steht. Anscheinend hat er eine Weile gebraucht, um sich neu zu organisieren, und verkauft die Sachen erst jetzt wieder weiter.«
»Und was konnte der Händler dir über diesen Mann sagen?«
»So gut wie nichts. Ich habe ihm das Schmuckstück abgekauft und hoffe, dass sein Zwischenhändler ihm nun noch mehr Stücke bringt und wir ihn so packen können. Zwei unserer Leute beobachten das Geschäft und außerdem …« Erst nach kurzem Zögern fuhr er fort. »… das Haus schräg gegenüber von uns …«
»Wie bitte?« Zahra sah ihn erschrocken an. »Wieso das denn?«
»Wie du gewiss auch schon bemerkt hast, sind da vor kurzem zwei Kastilier eingezogen. Jaime hat über die beiden Nachforschungen angestellt. Sie haben keine Familie, bekommen nie Besuch, und einer Arbeit gehen sie offenbar auch nicht nach. Das hat ihn misstrauisch gemacht, und einer der beiden ist allerdings kein unbeschriebenes Blatt!«
Zahra schnürte es die Kehle zu. »Und was wollen die von uns? Sind das Spitzel der Königin? Will sie mir jetzt doch wieder etwas anhängen? Oder Familiares der Inquisition? Möglicherweise hat auch derjenige, der uns überfallen ließ und der Chalida entführt hatte …« Sie wagte den Satz nicht zu beenden.
Raschid tätschelte ihr den Arm. »Beruhige dich, beruhige dich! Wir haben nach wie vor keine Ahnung, warum sie hier sind, und vielleicht ist auch alles ganz harmlos, und eigentlich wollte ich es dir auch gar nicht sagen. Solange ihr im Haus seid, kann euch nichts passieren. Wir haben ja immer etliche Wachen hier, und wenn es dir wohler ist, können wir noch zwei mehr in Dienst nehmen, die euch begleiten, wenn ihr zum Hammam oder zum Einkaufen geht.«
Nachdenklich sah Zahra wieder zu ihrem Bruder. »Und du hast tatsächlich noch immer keinen Verdacht, wer hinter dem Überfall stecken könnte?«
Raschid presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Zahra lief ein Schauer der Angst über den Rücken.
In der Nacht schreckte Zahra hoch. Von der Straße drangen ungewohnte Geräusche herauf. Barfuß tappte sie ans Fenster und sah, wie zwei nach christlicher Art gekleidete Männer an ihrem Haus vorbeitorkelten und dabei unter albernem Gelächter einen großen, rundlichen Gegenstand vor sich her rollten. Als sie an der Straßenlampe vor ihrem Haus vorbeikamen, meinte sie erkennen zu können, dass der Gegenstand ein nur noch notdürftig von eisernen Beschlägen zusammengehaltenes Fass war. Die beiden lachten und gackerten noch lauter, zogen aber weiter. Zahra legte sich wieder hin und wunderte sich, dass Jaime so tief und ruhig weiteratmete, als sei nichts geschehen. Ob man, grübelte sie, als Soldat mit der Zeit lernte, bedrohliche und nicht bedrohliche Geräusche selbst im Schlaf zu unterscheiden? Während sie wieder einzuschlafen versuchte, musste sie daran denken, was Raschid über die beiden neuen Nachbarn erzählt hatte. Auch dieser Maure, dieser Shihab, der Maria den Hof machte, ein aus Málaga stammender Brotbäcker, erschien ihr auf einmal in anderem Licht. Was, wenn er mit diesen beiden Männern im Nachbarhaus irgendwie verbandelt war? Vor ein paar Tagen hatte sie ihn gefragt, wieso er nicht wie alle anderen Bewohner Málagas nach dem Sieg der christlichen Könige vor zwei Jahren versklavt worden sei. Seine Erklärung hatte recht plausibel geklungen: Anscheinend war er schon vor der Belagerung der Stadt in den Norden geflüchtet … Am liebsten hätte sie Maria jetzt den Kontakt zu dem Mann untersagt, aber Maria hatte vor zwei Jahren bei einem Überfall der Christen
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