Das Geheimnis der Maurin
können! Also halt dich da raus!«
»Du hast Feinde am Hof?«
Jaime machte eine gleichmütige Handbewegung. »Als Söldner dem Feind dienen darf man, aus Liebe zu einer Frau nicht!« Er zwinkerte ihr zu. »Aber mach dir keine Gedanken. Das ist kein Problem.«
»Und was willst du jetzt gegen diese Nachbarn unternehmen?«
»Vor allem umsichtiger vorgehen als bei Sánchez und Pulgar. Wir brauchen keine weiteren Toten, sondern den Hintermann. Und den gibt es, da bin ich mir sicher!«
»Es gibt noch jemanden, den wir uns genauer ansehen sollten«, unterbrach ihn Zahra, »und zwar diesen Mann, der Maria nachstellt. Irgendetwas an ihm ist seltsam. Ich kann dir keinen Grund nennen, aber ich spüre, dass er nicht das ist, als was er sich ausgibt. Bisher wollte ich Maria nicht das Herz beschweren, aber mit all dem, was du und Raschid mir gesagt habt …«
»Ich kümmere mich um ihn. Und wir haben ja ohnehin immer Wachen!«
»Oh Jaime, wer hasst uns nur so sehr, dass er uns nicht zur Ruhe kommen lassen will?«
»Ich weiß es nicht, Zahra, ich befürchte allerdings, dass die Sache mit dem Überfall noch nicht ausgestanden ist!«
Zahra fasste nach seiner Hand. »Und weißt du, was für mich fast ebenso schlimm ist? Deine Verschlossenheit! Warum redest du nicht mit mir? Früher hast du das doch auch getan. Ich … ich will dich nicht verlieren!« Und kaum hatte Zahra dies ausgesprochen, wurde ihr bewusst, wie groß diese Angst in ihr tatsächlich war. Allein der Gedanke, dass Jaime die Probleme der Muslime irgendwann so satthaben könnte, dass er sich von ihr trennen und das für ihn so viel einfachere Leben eines christlichen Kastiliers ohne maurischen Anhang wählen würde … ein Leben vielleicht gar an der Seite einer adretten Kastilierin, die ihm Kinder gebar, die selbstredend in seinem Glauben erzogen werden würden, in einem Glauben, der weder ihm noch seinen Kindern Steine in den Weg legte … Sie merkte, dass ihr Tränen in die Augen traten, und biss sich auf die Lippen.
Jaime schüttelte den Kopf. »Aber Zahra, du verlierst mich doch nicht, ich liebe dich!«, raunte er und zog sie an sich. Er küsste sie auf die Stirn und wiegte sie wie ein kleines Kind. »Ach, Zahra. Zahra, Zahra, Zahra!«
Sie sah zu ihm auf, und noch weit mehr als seine Worte verriet Zahra sein Blick, dass sich an seiner Liebe für sie nichts geändert hatte. Als er ihre Lippen auf ihre senkte, machte sich in ihrem Bauch ein wohlvertrautes Ziehen breit, das zu einer brennenden Sehnsucht wurde. »Oh Jaime …«
Ihre weiteren Worte erstarben unter seinen immer drängender werdenden Küssen. Sanft drückte er sie gegen die Wand, schob seine großen, kraftvollen Hände unter ihren Po, hob sie hoch und drückte sich gegen sie, wobei sie seine Lust deutlich spüren konnte. Sie schloss die Augen und versank mit ihm in die Welt ihrer Gefühle – die einzige, in der sie sich derzeit noch eins mit ihm fühlen konnte, weil es wohl auch die einzige war, die ihnen noch allein gehörte.
IX.
Granada
12 . Juni 1492
J aime gab den Versuch auf, sich aus dem eisernen Griff des Mannes zu befreien: Der Kerl hatte ihm den rechten Arm so weit hoch gedreht, dass er vor Schmerzen kaum noch atmen konnte, und drückte ihm überdies mit seinem Unterarm die Kehle zu. Direkt vor ihm stand ein zweiter Mann, ein wahrer Hüne und offenbar der Anführer der beiden. Er trat dicht auf ihn zu und lachte ihm gehässig ins Gesicht. »Tja, wer einmal in der Mangel von Luis ist, wird ihn so schnell nicht wieder los! Pech für dich. Aber er kann es nun einmal nicht leiden, wenn jemand unsere Cousins so zurichtet, wie du es getan hast!«
»Ersticke …«, keuchte Jaime mit gepresster Stimme und hatte in der Tat das Gefühl, jeden Moment die Besinnung zu verlieren. Auf ein Nicken des Hünen hin nahm der Kerl endlich etwas Druck von seiner Kehle. Gierig sog Jaime die Luft ein, der Nebel vor seinen Augen löste sich auf – und gleichzeitig erwachte sein Widerstandsgeist neu. Er erwog, um Hilfe zu rufen, aber hier, im königlichen Pferdestall, würde ihm kaum jemand zu Hilfe eilen. Genau wie er hatten auch die anderen Leibwachen und Knappen, die vor wenigen Minuten von dem Ausritt mit Talavera zurückgekommen waren, ihre Pferde hier nur abgestellt und waren mit dem Erzbischof gleich weiter in dessen Räume gegangen, und ansonsten hatte er nur zwei dürre Stallburschen wahrgenommen, die sich sicher eher zitternd im Heu verkriechen als sich für ihn prügeln würden. Ein
Weitere Kostenlose Bücher