Das Geheimnis der Maurin
ergeben hatten, konzentrierte sich Zahras ganze Hoffnung auf Gonzalo, und sie beschloss, ihn noch einmal aufzusuchen. Auch diesmal bat sie Tamu, sie zu begleiten, doch die Alte schüttelte kategorisch den Kopf. »Damit Ihr den Mann wieder so anschaut wie beim letzten Mal? Nicht mit mir!«
»Oh Tamu, jetzt übertreib doch nicht so! Ich will von Gonzalo nichts weiter, als dass er Jaime findet, und das weiß er auch – und alles andere redest du dir nur ein!«
»Nur weil meine Augen an Scharfsichtigkeit verloren haben, bin ich noch lange nicht blind«, gab die Alte kiebig zurück. »Mich führt Ihr nicht hinters Licht!«
Zahra schluckte eine Antwort herunter, zumal sie wusste, dass Tamu nicht ganz unrecht hatte: Natürlich hatten da gewisse Gefühle zwischen Gonzalo und ihr geschwungen, die dort nicht hätten sein sollen, aber trotzdem hatten sie sich beide völlig korrekt verhalten. Versöhnlich rieb sie der alten Dienerin über den Arm und versprach, Gonzalo nur anzusehen, wenn es die Höflichkeit gebot, dann endlich lenkte die Alte ein.
»Ja, gleich morgen früh reite ich mit meinen Leuten los«, bestätigte Gonzalo.
»Und wo genau ist Jaime gesehen worden?«, fragte Zahra.
»Eine knappe Tagesreise von hier, in einer Taverne, wo er, scheint’s, die Nacht verbracht hat. Und von dort aus will ich weitersuchen. Ich werde mich mit meinem Trupp in der Taverne treffen und dank seiner Hilfe sicher schnell weiterkommen.«
»Ihr … Würdet Ihr mir wohl erlauben, Euch zu begleiten?«, fragte Zahra und haspelte, ohne eine Antwort abzuwarten, weiter: »Mein Ansinnen mag Euch seltsam erscheinen, aber ich … ich fühle mich für Jaimes Verschwinden verantwortlich. Ich habe von Anfang an gespürt, dass da etwas nicht in Ordnung war, und hätte einen Weg finden müssen, ihn zurückzuhalten!«
»Ach, Zahra, als ob sich mein Bruder je in seinem Leben schon einmal von etwas hätte abbringen lassen, was er sich in den Kopf gesetzt hatte! Und Euch mitnehmen – nein, es tut mir leid, das geht auf gar keinen Fall. Allein der Gedanke, Euch würde etwas passieren … Niemals würde ich mir das verzeihen! Vertraut mir. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um Jaime wiederzufinden!«
Zahra sah ihm an, dass er sich nicht umstimmen lassen würde, und fragte ihn nur noch, wann genau er losreiten und welche Strecke er nehmen wolle.
Wie am Vortag verabschiedete sich Gonzalo auch heute nach arabischer Art von ihr und sagte, als Tamu schon halb aus dem Zimmer war, noch zu ihr: »Passt auf Euch auf! Ich … es ist mir wichtig, dass es Euch gutgeht, auch wenn … Es ist mir einfach wichtig!«
Zahra nickte, berührt durch seine Worte und die offensichtliche Sorge und Zuneigung, die aus ihnen sprach. Als sie sein Haus verließ, spürte sie, dass er ihr noch lange hinterhersah.
Auch wenn Zahra Gonzalo nicht weiter bedrängt hatte, hatte sie doch nicht vor, sein Nein zu akzeptieren – nur war ihr klar, dass sie einen anderen Weg finden musste, um ihn davon zu überzeugen, sie mitzunehmen. Pünktlich bei Sonnenaufgang wollte sie sich mit ihrem Pferd am Stadttor Puerta de Elvira verbergen und Gonzalo, wenn er die Stadt verließ, in gebotenem Abstand folgen, bis sie so weit von der Stadt entfernt waren, dass sie sich ihm zu erkennen geben konnte, ohne Angst haben zu müssen, dass er sie postwendend zurückschickte. Zu Hause konnte sie es keinen Tag länger aushalten, zumal das Gefühl, dass Jaime in größter Gefahr war, von Stunde zu Stunde größer wurde.
Also schlich sie im ersten Dämmerlicht die Treppe von der Galerie in den Patio hinunter und wagte vor Angst, die hellhörige Tamu zu wecken, kaum, auch nur Luft zu holen. Als die fünfte Stufe der Holztreppe knarrte, stockte ihr endgültig der Atem, und sie sah vor ihrem inneren Auge schon, wie Tamu aus ihrem Zimmer tappte und ein solches Lamento veranstaltete, dass das ganze Haus zusammenlief. Allein der misstrauische Blick, mit dem die Alte sie am Vorabend ständig gemessen hatte, geradezu, als ahne sie, dass Zahra etwas vorhatte, hatte ihr gereicht. Aber Raschid würde es nicht bei Blicken belassen …
Doch Zahra hatte Glück: Ohne bemerkt zu werden, gelangte sie zur Küche, wo sie sich rasch ein paar Vorräte einpackte, und huschte weiter zur Haustür. Dort traf sie Abdullah, der, wie jede Nacht, im Eingang Wache stand.
»Aber Herrin, wo wollt Ihr denn so früh am Tag schon hin?«, rief er und rieb sich die müden Augen. Zahra legte den Finger auf den
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