Das Geheimnis der Maurin
unter den Händen und einen Stuhl und einen Tisch direkt neben sich. Auf allen vieren krabbelte sie zu dem Lichtschein, stellte fest, dass dort tatsächlich eine Tür war, und entdeckte direkt daneben eine große Holztruhe, die sich jedoch genauso wenig öffnen ließ wie die Tür.
»Zumindest scheint dies kein Kerker der Inquisition zu sein«, murmelte Zahra vor sich hin, ohne zu wissen, ob dies günstiger für sie war. Sie überlegte, wer der Mann gewesen sein könnte, der sie verschleppt hatte, und was er oder sein Auftraggeber von ihr wollen könnte. Mit Schrecken wurde ihr klar, dass Tamu gewiss davon ausgehen würde, dass sie Gonzalo gefolgt sei – was Raschid veranlassen würde, entweder gar nicht oder in einer falschen Gegend nach ihr zu suchen. Sie verfluchte sich, dass sie sich so leicht hatte überrumpeln lassen und nun, statt Jaime zu suchen, selbst in Gefahr war – denn nur um ein Glas Granatapfelsaft mit ihr zu trinken, hatte man sie gewiss nicht hierhergebracht.
Ewigkeiten schienen Zahra vergangen zu sein, bis sie endlich ein Geräusch vernahm. Es waren Stimmen, Männerstimmen, die dumpf zu ihr klangen, dann gewahrte sie Türschlagen und Schritte, die in ihre Richtung kamen, und kurz darauf das Rasseln eines Schlüsselbunds. Hastig rutschte sie nach hinten in den Raum, obwohl ihr klar war, dass auch dies keinen Schutz bedeutete, dann ging auch schon die Tür auf.
Das gleißende Licht stach Zahra so heftig in die Augen, dass sie sie reflexartig schloss und die Hand vors Gesicht hob. Die Schritte, schwer und schlurfend, kamen näher und direkt auf sie zu. Sie blinzelte unsicher zu dem Mann hoch und traute ihren Augen nicht.
»Da habe ich Euch endlich!«, dröhnte der Mann – und nachdem Zahra seine Stimme gehört hatte, wich auch noch der letzte Zweifel von ihr. Nackte Angst verschlug ihr den Atem. Der Mann stellte eine Öllampe auf dem Tisch ab.
»Ihr seht nicht aus, als hättet Ihr erwartet, dass wir uns noch einmal wiedersehen«, fuhr er fort und lachte höhnisch. »Wundern kann mich das nicht. Immerhin hattet Ihr und Euer Christ Euch redliche Mühe gegeben, dass ich nie mehr aus diesem verfluchten Málaga herauskomme. Ach, wenn Ihr wüsstet, mit welcher Sehnsucht ich seither auf ein Wiedersehen mit Euch gewartet habe!«
Zahra schauderte es. Ibrahim … der Mann ihrer Schwester, den ursprünglich sie hätte heiraten sollen und der sie beinahe vergewaltigt hatte. Um Fassung ringend, starrte sie ihn an.
»Ja, das hättet Ihr nicht gedacht, dass ich da wieder rauskomme, was? Euer Christ hatte mich ja nach allen Regeln der Kunst verschnürt, um mir jede Flucht aus der Stadt unmöglich zu machen.«
Zahra rutschte noch weiter zurück, stieß aber kurz darauf gegen die Wand.
»Und auch versklavt wurde ich nicht wie all die anderen Einwohner Málagas. Pech für Euch, was?« Er stemmte die Hände in die Hüften. »Ich konnte den katholischen Königen nämlich beweisen, dass ich nicht zu den Bürgern des Maurenreichs gehörte, weil ich damals schon seit Jahren in Marokko ansässig war – und so haben sie mich nicht in das Sklavenheer der Bewohner Málagas eingereiht, sondern mich freigelassen.« Er grinste. »Ich nehme an, Ihr ahnt bereits, dass ich Euch nicht hierhergeholt habe, um mit Euch einen Nachmittag zu verplaudern?«
Zahra konnte nicht antworten. Nicht einmal schlucken konnte sie. Ihr Hals war so trocken, dass sie das Gefühl hatte, er würde zusammenkleben.
»Ja, Rache, werte Zahra, eine wunderbar süße Rache schwebt mir vor. An Euch allen!« Er lachte auf. »Leider habt Ihr das kleine Vögelchen von meinen Leuten zurückgeholt, ehe ich aus Marokko eingetroffen war. Noch nicht einmal mehr kennengelernt habe ich es, aber ich werde es mir zurückholen; auch mit dem Vögelchen will ich doch meinen Spaß haben. Chalida heißt es, nicht wahr?«
Zahras Atem blockierte erneut.
Er
hatte den Überfall auf ihre Familie in Auftrag gegeben?
»Das Mädchen soll ja genauso bemerkenswert blaue Augen haben wie Ihr. Zumindest hat Sánchez mir das geschrieben. Und wie schändlich von Eurem Christen, ihn und Pulgar aus dem Weg geräumt zu haben. Sie waren nützliche Männer, weit nützlicher als die vier Trottel, die ich jetzt in meine Dienste genommen habe! Na, wenigstens sind die beiden Christen, die ich in Eurem Nachbarhaus untergebracht habe, etwas heller und haben zumindest schon einmal Euch hergeschafft. Ach so, Zainab werde ich natürlich auch zurückholen; eine Frau gehört schließlich an
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