Das Geheimnis der Maurin
dass ich vorsichtig bin. Außerdem wisst Ihr genau, dass auch Musheer kein Hitzkopf ist, und Ihr müsst verstehen, dass wir uns Sorgen machen!«
Die werden wir uns von nun an wohl alle machen müssen, dachte Zahra, doch zu Abdarrahman meinte sie bloß: »Du weißt, dass ich dir vertraue, mein Sohn. Mach, dass dies auch so bleiben kann!« Zugleich wehte sie der Gedanke an, inwieweit Jaime eigentlich noch
ihr
vertrauen konnte, ein Gedanke, den sie ebenso rasch wieder vertrieb, wie er ihr gekommen war.
Obwohl Cisneros in den folgenden Wochen durch keine besonderen Maßnahmen von sich reden machte, war seine Anwesenheit doch überall spürbar. Sein Name begann sich mit Widerhaken in den Köpfen der Mauren festzusetzen, und wenn sie jetzt Christen durch ihr Viertel oder um ihre Häuser streifen sahen, fürchteten sie sofort, es könnten Cisneros’ Familiares, seine Spitzel sein, auch wenn diese ihnen von Gesetzes wegen nicht nachspionieren durften. Bei ihren Besuchen in der Stadt spürte Zahra das wachsende Misstrauen, sah die verschlossenen Mienen, registrierte die Schreckhaftigkeit der Menschen – und geriet darüber immer öfter mit Jaime in Streit.
Schließlich spürten die as-Sulamis die nahende Präsenz Cisneros zum ersten Mal auch auf ihrer Farm und erschraken darüber zutiefst: Wie aus dem Nichts standen an einem Samstagmorgen zwei ältere Christen mitten in ihrem Haus und sahen sich mit offensichtlicher Neugier um. Zubair fasste sich als Erster. Er ging auf sie zu und fragte sie unumwunden, was sie hier zu suchen hätten. Die Männer behaupteten, auf der Durchreise zu sein, und baten darum, ihren Wasserschlauch auffüllen zu dürfen, der ihnen durch eine Unachtsamkeit leergelaufen sei – doch dies glaubte ihnen weder Zubair noch sonst jemand im Haus. Zubair ließ ihnen ihren Wasserschlauch von einem Diener füllen, und alle atmeten auf, als die beiden endlich wieder im angrenzenden Wald verschwunden waren.
Am Abend zog sich Zahra mit Jaime in den Gartenteil des Patios hinter dem Haus zurück, um dort wie so oft in den letzten Tagen auf einer ausgebreiteten Decke die letzten milden Herbstabende zu genießen, aber nach Zahras Bericht über diesen Vorfall fuhr Jaime augenblicklich wieder hoch.
»Das haben wir nun von eurem Leichtsinn«, schimpfte er. »In drei Teufels Namen: Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass Deborah und ihre Eltern uns noch die Inquisition auf den Hals hetzen werden?«
»Aber seit Deborahs Eltern die Wohnung in Granada haben, sind sie doch kaum noch hier!«
»Aber heute waren sie da! Bei allem Verständnis für ihre Lage, Zahra, aber ihr müsst ihnen klarmachen, dass sie ihren früheren Glauben auf keinen Fall mehr praktizieren dürfen, sonst landen wir noch alle im Kerker! Ich wage gar nicht, daran zu denken, was alles hätte passieren können. Und dann war heute auch noch Schabbat! Ich hoffe, Deborah hatte wenigstens keine Kerzen ins Fenster gestellt?«
»Aber nein, das tut sie bereits seit Cisneros’ Amtsantritt nicht mehr, und das weißt du auch!« Zahra setzte sich nun ebenfalls auf. »Außerdem konnten wir wohl kaum damit rechnen, dass hier so weit draußen auf der Farm plötzlich irgendwelche Christen auftauchen und herumschnüffeln!«
»Ich habe euch schon oft genug davor gewarnt, dass bei Cisneros mit allem zu rechnen ist!« Jaime riss ein paar Grashalme aus und schleuderte sie davon. »Und die Challot? Ich will doch hoffen, dass Deborah auch ihr Schabbatzopfbrot nicht mehr backt!«
Zahra hob hilflos die Schultern. »Sie … sie legt es nicht mehr auf den Esstisch, aber in der Küche …«
»Das darf doch nicht wahr sein, Zahra! Ist euch denn nicht klar, dass Cisneros’ Familiares ganz genau wissen, wo die getauften Juden wohnen? Und welcher Tag könnte für sie besser geeignet sein, um nachzuprüfen, wie ernst es den Neuchristen mit der Taufe ist, als der Schabbat? Kannst du dir vorstellen, was passiert wäre, wenn die beiden Männer in die Küche spaziert wären? Du weißt, dass ich nichts gegen Deborahs Glauben habe, aber die Zeiten haben sich geändert, und wenn ihr das nicht endlich begreift, spielt ihr mit unser aller Leben!«
»Aber Deborah und ihre Familie sind doch ganz vorsichtig!«, versuchte Zahra, ihn zu beschwichtigen. Mittlerweile ärgerte sie sich, ihm überhaupt von dem Vorfall erzählt zu haben. Sie wollte nicht ständig mit ihm streiten, und schon gar nicht über dieses Thema. Sie verfluchte diesen Cisneros, der all diesen Unfrieden über
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