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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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ihren Einfluss auf die Menschen. Und einer wie er will das unter allen Umständen verhindern. Aber wir werden ihn mit seinen eigenen Mitteln schlagen. Also?«
    In diesem Moment kam Berbelin mit den von Anna angeforderten Schreibutensilien herein und stellte alles auf dem Tisch ab. Dann ließ sie die beiden wieder allein.
    Bruder Thomas hatte sich inzwischen für Annas Vorschlag erwärmen können. Er rieb sich schon kräftig die Hände und stimmte der Medica zu: »Ihr habt recht, Anna. Wenn wir uns nicht jetzt auf unsere Art wehren – wann dann?« Er breitete die Arme weit aus und begann, mit Feuereifer eine Dispens aufzusetzen, die so authentisch aussehen musste, dass sie es mit jedem Dokument eines päpstlichen Sekretärs aufnehmen konnte. Zuletzt fälschten sie auch noch das Siegel des Klosters Weingarten, dessen Negativ Bruder Thomas aus dem Gedächtnis gekonnt in ein Stück Holz schnitzte und damit das Siegelwachs stempelte.
    Inzwischen war es dunkel geworden, und die beiden hatten Kerzen angezündet, um ihr Werk vollenden zu können.
    Stolz betrachteten sie das Pergament. Es sah täuschend echt aus. Beide hatten schon genügend klösterliche Urkunden gesehen, um das beurteilen zu können.
    Doch Bruder Thomas hatte auf einmal Bedenken. »Und wenn er mir die Zusammenarbeit mit Euch trotzdem untersagt?«
    »Kann er das?«
    »Er kann es versuchen.«
    »Dann teilt Ihr ihm mit, dass unsere Arbeit ausdrücklich das Wohlwollen seines Landesherrn genießt. Die Gräfin hat mir das erst gestern versichert.«
    Bruder Thomas nickte und sah nachdenklich ins Feuer, das noch immer im Herd brannte. »Sollten wir eines Tages diesen Schutz verlieren, könnte das schlimme Konsequenzen für uns haben.«
    »Ja«, pflichtete ihm Anna ernst bei. »Aber so lange es nicht so weit ist, machen wir weiter!«
    In dieser Nacht lag Anna lange wach und starrte in die Dunkelheit. Nicht wegen der Dokumentenfälschung, das belastete ihr Gewissen kein bisschen. Sie spielte mit ihrem Geschenk, der Halskette. Die Begegnung mit Chassim ließ sie nicht los. Sie hielt den Beweis, dass er sie nicht vergessen hatte und dass er sie mochte, in der Hand. Was sollte sie tun, wenn er es auch noch offen aussprach? Sie wusste es nicht. Vermutlich würde sie so reagieren, wie es in diesem Augenblick ihr Herz befahl. Im Moment waren ihr alle Standesschranken, alle Dünkel und alle Wenn und Aber vollkommen gleichgültig. Ein noch nie so intensiv gespürtes Verlangen durchpulste ihren Körper. Sie wollte einfach nur in Chassims Armen liegen, weit weg von allen Sorgen und Kümmernissen dieser Welt und selig sein. Mit dem verzehrenden Gedanken daran glitt sie in den Schlaf und hatte die süßesten Träume seit langem.

X
    D er erste Turniertag war angebrochen. Das ruhige Sommerwetter hätte dafür prächtiger nicht sein können, kein Wölkchen trübte den Himmel. Alles, was Beine hatte, war unterwegs zum riesigen Feld unterhalb der Burg Landskron, wo das Gedränge und Getümmel schon so groß war, dass man sich seinen Weg nur noch mit Müh und Not hindurchbahnen konnte. Nicht nur Adel und Geistlichkeit waren von nah und fern der Einladung des Grafen gefolgt, auch für das Volk war das Turnier ein gesellschaftliches Ereignis. Denn solche Festtage, bei denen für jeden ein Krumen oder auch mehr vom Tisch der Reichen und Mächtigen abfiel, waren selten. Gaukler, Schauspieler, fahrende Sänger, Feuerspucker, Akrobaten, Musikanten und Narren erregten allerlei Aufsehen, schlugen die Zuschauer in ihren Bann oder trieben Klamauk und Schabernack mit ihnen.
    Der Graf hatte sich nicht lumpen lassen, was Bewirtung, Unterbringung und Belustigung anging. Jedermann sollte an seiner Freude und seinem Glück teilhaben, dass Gott ihm und seiner Frau nach langen und quälenden Jahren endlich den ersehnten Stammhalter geschenkt hatte.
    Dennoch verband er mit seinem Fest natürlich auch einen diplomatischen Zweck. Die Landesherren sollten die Gelegenheit nutzen, sich friedlich zu treffen, um Streitigkeiten beizulegen, Bündnisse zu schmieden oder Heirats- und Verlobungsverträge auszuhandeln. Dazu war für alle Zusammenkünfte, vom großen Festessen über die Messe im Freien oder in der Burgkapelle bis zu den Plätzen auf der Haupttribüne eine ausgefeilte Sitzordnung vonnöten, damit sich niemand beschweren konnte, nicht seinem Rang und seinem Status gemäß platziert worden zu sein. Nichts durfte in dieser Hinsicht dem Zufall überlassen werden, und so hatten der Graf und seine

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