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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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Gattin wochenlang mit ihrem Haushofmeister an dem Protokoll gefeilt. Das gemeine Volk hingegen musste sich die besten Plätze für das Turnier mit den Ellenbogen reservieren, Holzbarrieren grenzten den Turnierplatz ab, der schon mit Sand vom Rheinufer präpariert worden war, um Stürze vom Pferd glimpflicher ablaufen zu lassen.
    Ein eigenartiges Vibrieren und Summen aus Stimmen und Geräuschen, aus Gerüchen und Waffengeklirr lag schon seit den frühen Morgenstunden in der Luft, Wetten auf einzelne Ritter wurden abgeschlossen, und je mehr sich die Zuschauerränge füllten, desto größer wurde die Spannung. Die Plätze für die höchsten Herrschaften, darunter der erst am Abend zuvor samt Gefolge eingetroffene Erzbischof, blieben unbesetzt, solange die Messe in der Burgkapelle, ausschließlich für die Ehrengäste bestimmt, noch in vollem Gang war. Ein Trommelwirbel und Trompetenstöße kündigten schließlich die Ankunft der Herrschaften auf dem Feld an. Ein Raunen ging durch die Menge, als die Gräfin, mit ihrem kleinen Sohn im Arm, endlich auf der Tribüne Platz nahm. Als sie noch einmal aufstand und freundlich winkte, fing die Menge an zu jubeln und zu klatschen und in Hochrufe auszubrechen. Der Beifall galt auch ihrem Gatten, dem Grafen, der hinzutrat und leutselig winkte. Merklich ruhiger wurde es, als der Erzbischof die Tribüne betrat und sich auf seinen gepolsterten Stuhl neben den Grafen setzte.
    Anna hatte dank des robusten Einsatzes von Bruder Thomas einen Platz in vorderster Reihe gegenüber der Haupttribüne ergattert und fieberte dem Auftritt von Chassim entgegen. Bruder Thomas konnte sich Annas Begeisterung für das Turnier zunächst gar nicht erklären. Er, der sich ohne zu zögern in jede Schlägerei einmischte, gab sich zwar anfangs so zurückhaltend, wie man es von einem in sich ruhenden Benediktinermönch erwarten durfte, aber er wusste, er würde sich nicht mehr bremsen können, wenn es erst auf dem Turnierplatz zu einer zünftigen Massenkeilerei zwischen den Rittern kommen würde. Darauf freute er sich schon klammheimlich und hätte am liebsten selbst mitgemacht. Momentan hatte er sowieso Oberwasser. Er musste sich gewaltsam zügeln, sonst hätte er aus purem Übermut noch dem Burgkaplan zugewinkt, der eben seinen Platz hinter dem Erzbischof auf der Ehrentribüne einnahm.
    Was war das für ein innerer Triumph gewesen, wie er mit gespielt unterwürfigem Augenaufschlag am Morgen dem eingebildeten und herrischen Burgkaplan gegenübersaß und ihm schließlich feierlich seine angeblich vom Abt in Weingarten ausgestellte Urkunde überreicht hatte, als er barsch gefragt wurde, was ihn dazu gebracht habe, als Benediktinermönch bei einer jungen Medica mit zweifelhaftem Ruf anzuheuern. Anna hätte einiges dafür gegeben, wenn sie bei dieser Gelegenheit hätte dabei sein dürfen! Trotz aller Schadenfreude wussten Anna und Bruder Thomas natürlich genau, dass damit höchstens ein kleines Scharmützel, aber beileibe nicht die Schlacht und erst recht nicht der Krieg gewonnen war. Trotzdem war es befreiend und wohltuend, dem Gegner furchtlos ein Schnippchen geschlagen zu haben.
    Dann, mit einem Mal und für alle Anwesenden völlig überraschend, nahm das Spektakel auf dem Turnierplatz seinen Anfang. Eigentlich hatten alle erwartet, dass erst Ansprachen gehalten und Namen ausgerufen würden und ein Herold kundtat, was am ersten Tag geschah, aber der Graf wollte anscheinend dem leicht gelangweilt wirkenden Erzbischof gleich zu Beginn etwas ganz Besonderes und Spektakuläres bieten. Denn plötzlich preschten von links und rechts jeweils ein Dutzend mit prächtigem Helmschmuck und Federn ausgestattete Ritter auf ihren Streitrossen heran, dass die Erde dröhnte. In perfekter Formation ritten sie in scharfem Galopp aufeinander zu und knapp nebeneinander vorbei durch die gegnerischen Reihen hindurch. Dann wendeten sie, um dasselbe Schauspiel noch einmal von der jeweils anderen Seite zu wiederholen. Ein beeindruckender Sturmwind aus blitzendem Eisen, flatternden Fahnen, wirbelnden Hufen und kehligen Schreien.
    Als sich der Staub verzogen hatte, trabten die Pferde zur Ehrentribüne, wo sie sich aufreihten. Dann verbeugten sich die Ritter vor den hohen Damen und Herren und senkten ehrerbietig ihre Holzlanzen. Anschließend scherte einer nach dem anderen aus der Reihe aus, um vor den gemeinen Zuschauern zu paradieren und Farben, Wappen und festliche Gewänder, die sie über ihrer Rüstung trugen, zu präsentieren.

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