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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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wickelte den Verband weiter um den Oberarm. »Aber man sollte sein Glück nicht herausfordern.«
    Geduldig hielt Chassim ihr seinen Arm hin. Dann schaute er sich um.
    Plötzlich nahm er Annas Gesicht in seine Hände, sah ihr in die Augen und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Einen sanften, zärtlichen Kuss, der Anna überraschte und doch wieder auch nicht, weil sie sich insgeheim danach gesehnt hatte. Der Kuss war genauso, wie sie es sich immer erträumt hatte, nein, er war schöner, weil er Wirklichkeit war. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, und sie erwiderte den Kuss ohne nachzudenken. Eine wilde Flut auf sie einstürzender Gefühle, der sie keinen Widerstand mehr entgegensetzen konnte, überwältigte sie.
    Aber plötzlich ertönte ein Geräusch, und sie fuhren auseinander.
    Ein Bursche führte zwei Pferde zum Bach, um sie zu tränken.
    Er bemerkte sie nicht, Chassim hatte Anna schnell hinter einen Baum gezogen.
    Beide taten so, als sei nichts geschehen, und Anna machte den Verband fertig, indem sie das Ende mit Hilfe ihrer Zähne einriss, so dass sie damit einen abschließenden Knoten machen konnte. Dabei schossen ihr tausend Gedanken durch den Kopf, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und trat einen Schritt zurück.
    »So, jetzt könnt Ihr Euch wieder aufs Pferd schwingen und Euch erneut den Kopf einschlagen lassen«, sagte sie härter, als sie eigentlich wollte, und sah ihm in die Augen.
    »Anna Ahrweiler«, murmelte Chassim nur und schüttelte den Kopf. »Anna Ahrweiler – du bist ja ein Mensch aus Fleisch und Blut!«
    »Habt Ihr gedacht, in einer Medica fließt kein Blut?«, fragte sie, ungewollt schnippisch.
    »Nein. Nur Pflichterfüllung«, antwortete er und schaute sie dabei ernst an.
    »Nun, Medica zu sein ist meine Aufgabe, ihr habe ich mich verschrieben.«
    »Mit Leib und Seele?«
    »Ja. Mit Haut und Haar.«
    »Das kannst du jemand anderem erzählen. Ich merke doch, dass du etwas vor mir verbirgst. Warum redest du nicht mit mir? Traust du mir nicht?«
    »Ihr kennt mich nicht wirklich, das ist richtig«, sagte sie. »Aber ich kenne Euch ja genauso wenig.«
    »Das sollten wir ändern.«
    »Wie stellt Ihr Euch das vor? Ihr seid der Sohn eines Grafen, und ich bin nur eine Medica. Ihr solltet unter Euresgleichen bleiben. Und ich auch.«
    »Wer sagt das?«
    »Die Tradition. Die Kirche. Das Gesetz. Der allgemeine Menschenverstand. Habe ich etwas vergessen?«
    »Vielleicht das Herz. Was sagt dein Herz?«
    »Das zu tun, was der Verstand sagt.«
    »Und was sagt dir dein Verstand?«
    »Dass ich jetzt gehen sollte.«
    Aber sie ging nicht. Stumm standen sie sich gegenüber und sahen sich an, keiner wich dem Blick des anderen aus.
    »Kommst du morgen wieder?«, fragte er schließlich. »Morgen ist der Tag, an dem es ums Ganze geht. Dann zählt nur, wer tatsächlich besser ist.«
    »Und – seid Ihr das?«
    »Wir werden sehen.«
    »Gegen wen kämpft Ihr?«
    »Die Gegner werden ausgelost. Komm mit und sieh zu.«
    »Nein. Ich habe anderes zu tun.«
    Sie drehte sich um und wollte fort. Aber Chassim machte zwei Schritte nach vorn und hielt sie am Arm fest.
    »Anna, wenn du nicht kommst, dann komme ich zu dir. Durch den Geheimgang.«
    Anna sah ihm ins Gesicht und versuchte zu ergründen, ob er es ernst meinte oder ob er scherzte. Sie entdeckte den Schalk in seinen Augenwinkeln.
    »Das würde ich Euch nicht raten, Junker Chassim«, sagte sie. »Das würde Euch nämlich schlecht bekommen. Mein Infirmarius Bruder Thomas, Ihr kennt ihn noch nicht, bewohnt ein Zimmer in meinem Haus. Er ist sehr kräftig und hat einen leichten Schlaf. Er könnte denken, dass Ihr ein Dieb seid, und würde nicht zögern, Euch übel zuzurichten.«
    »Dann würdest du mich eben wieder zusammenflicken«, lächelte Chassim sie an.
    »Wunder kann ich auch nicht bewirken«, sagte sie.
    Er nickte. »Leider«, sagte er und ließ von ihr ab.
    Anna verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    * * *
    Die Sonne stach heiß vom Himmel herab, als Gero nach dem Schaukampf zum Bach ging, der am östlichen Waldrand entlangfloss, um sich abzukühlen. Er freute sich auf das Gestech am nächsten Tag, bei dem man zu Pferd mit stumpfen Holzlanzen versuchte, den Gegner aus dem Sattel zu heben. Endlich ein echter Kampf, schließlich war er kein Gaukler, der zur Belustigung des Publikums beizutragen hatte. Aber er hatte sich gefügt und sein Bestes im Buhurt gegeben. Vielleicht ein wenig zu viel des Guten, denn er hatte seinem Scheingegner mehr

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