Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
Rappen vorausritt, musste zu seinem Verdruss immer wieder anhalten und auf den langsamen Karren warten. Er war ungeduldig und schwitzte fürchterlich. Zum wiederholten Male zügelte Gero sein Pferd und harrte aus, bis der schwerfällige Karren mit seinen Gefährten allmählich näher rumpelte. Der Wagen diente als Tarnung und führte etliche Waffen und eine leichte Rüstung für Gero und einen großen Käfig mit Brieftauben auf seiner Ladefläche mit. Oswald und Lutz würden vorgeben, die Diener eines hohen Herrn zu sein und als Vorauskommando eine angemessene Unterkunft in einem Gasthaus für ihn zu suchen. Gero sollte sich als zweitgeborener Sohn des Barons von Geldern ausgeben, der hinaus in die Welt zog, um sich als Ritter bei einem Landesherrn zu verdingen und sich einen Namen zu machen.
Als der Wagen Gero erreichte, hieß er ihn mit erhobener Hand anhalten. »Ich reite jetzt allein weiter. Ihr sucht in Oppenheim eine Unterkunft. Wir werden uns dann schon wiederfinden.«
»Und wenn sie keinen wie dich auf Burg Landskron brauchen können – was machen wir dann?«, fragte Lutz.
»Dann sehen wir weiter«, antwortete Gero kurz angebunden. »Aber ich bin sicher, dass sie mich aufnehmen, wenn sie sehen, wie ich mit meinen Waffen umgehen kann. Gebt mir noch meinen Bogen und die Pfeile.«
Er strich über seinen spärlich sprießenden rötlichen Bart.
Währenddessen stieg Lutz auf die Ladefläche des Karrens, suchte Geros Bogen und den Köcher mit den Pfeilen hervor und reichte alles an seinen Freund weiter.
»Gott zum Gruß!«, rief Gero, zog sein Pferd am Zügel herum und galoppierte davon, eine Staubwolke hinter sich lassend.
Je näher er Oppenheim kam, desto belebter wurde es auf der Straße. Die Menschen, ob zu Pferd, mit einem Wagen oder zu Fuß unterwegs, hatten es eilig. Gero wunderte sich. Soviel er wusste, war heute weder Markt noch ein besonderer Feiertag. Wenn irgendein neuer Bauabschnitt der Katharinenkirche gefeiert oder gar eingeweiht worden wäre, hätte das sein Onkel, der Erzbischof, sicher als Erster gewusst und ihm mitgeteilt.
Sein Pferd war längst in einen ruhigen Trab übergegangen, er zügelte es und ließ es anhalten. In der Ferne konnte er im Dunst Burg Landskron erkennen, davor das mit einer hohen Stadtmauer und Wachtürmen befestigte Oppenheim. Er ritt weiter, bis die Straße in eine größere mündete, die geradewegs auf das Gautor der Stadt zuführte. Dort standen die Leute schon Spalier, sie schienen auf etwas zu warten, etwas von großer Wichtigkeit und Bedeutung, denn ein schwarzbärtiger Bewaffneter mit einer Lanze stellte sich Geros Pferd in den Weg und befahl ihm barsch anzuhalten.
»Warum? Was ist denn los?«, fragte Gero.
Der Bewaffnete antwortete mit leiser Stimme: »Ja, wisst Ihr das denn nicht? Seine Majestät beehrt Oppenheim mit seinem Besuch.«
Nun war Gero wirklich überrascht. »Der König? Ihr meint Konrad IV.!?«, fragte er.
»Ja, wer denn sonst? Kennt Ihr einen anderen König?«, fragte der Bewaffnete irritiert.
»Aber …« Fieberhaft rechnete Gero nach. »Seine Majestät ist doch erst … wie alt? Vierzehn?«
»Ja. Aber er ist der König, von seiner allerchristlichsten Majestät, unserem Kaiser, eingesetzt. Also zieht gefälligst den Hut wenn er vorbeizieht, und verneigt Euch!«
Mit diesen Worten ging der Soldat weiter und brachte seine Vorschriften an jedermann, der am Wegesrand stand und neugierig der Dinge harrte, die da kommen sollten.
Konrad IV. hier!, schoss es Gero durch den Kopf. Was für ein Glück, seinem Onkel gleich am Anfang seiner Mission so eine wichtige Nachricht zukommen lassen zu können!
Noch mehr Menschen strömten herbei und säumten die Straße. Gero fiel erst jetzt auf, dass sie sich alle fein gemacht hatten. Die meisten hatten ihren Sonntagsstaat angelegt, auch die einfachsten und ärmsten Bauern waren einigermaßen sauber. Anscheinend hatten der Kaiser und sein Sohn, der König, in Oppenheim und Umgebung mehr Anhänger, als der Erzbischof es sich vorgestellt hatte. Oder ging es den Leuten nur um die Aussicht, einmal im Leben einen leibhaftigen König zu Gesicht zu bekommen?
Auf einmal kamen zwei Soldaten als Vorhut auf ihren Pferden herangesprengt, ihre Uniformen und die Schabracken der Tiere waren in den staufischen Farben gehalten, Schwarz und Golden; in der rechten Faust trugen sie Stangen mit flatternden Fahnen, darauf das Wappen der Staufer: drei laufende Löwen übereinander auf goldenem Grund. Die Soldaten ritten die
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