Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
sagte sie. »Aber sie hat nur gesagt, da kann sie nichts machen. Das Kind wird tot zur Welt kommen, das würde sie schon voraussehen. Weil meine Tochter ständig solche Bauchkrämpfe hat. Und weil die Sternenkonstellation ungünstig ist.« Sie fing an zu weinen, ebenso ihre Tochter auf dem Behandlungstisch.
»Sie hat in einem Buch geblättert mit Zeichnungen von Sternen«, fuhr die Frau fort. »Dann hat sie ihre Hand über den Bauch meiner Tochter gehalten, die Augen geschlossen und irgendwelche Beschwörungen gemurmelt, die ich nicht verstanden habe. Zum Schluss hat sie das hier auf den Bauch meiner Tochter gelegt.«
Sie zog etwas aus einer Tasche ihrer Tunika, das in ein Tuch eingewickelt war. Als sie das Tuch auseinanderschlug, kam ein Gänsefuß zum Vorschein.
»Dieser Gänsefuß ist magisch«, sagte die Frau. »Die Hebamme hat gesagt, dass er eine Vollmondnacht lang auf einem Maulwurfshügel gelegen habe, um seine magische Kraft zu erlangen.«
Mit spitzen Fingern nahm Aaron den Gänsefuß, zeigte ihn Anna mit einem Blick, der seine ganze Verachtung für okkulte Gerätschaften dieser Art ausdrückte, und warf ihn dann gekonnt in hohem Bogen in einen Ledereimer, in dem er alte Verbände und Abfall zu entsorgen pflegte.
»Was hat sie für diesen magischen Gänsefuß verlangt?«
»Oh, der war nicht billig. Zehn Heller.«
»Zehn Heller?«, regte sich Aaron auf. »Dafür bekommt ihr auf dem Markt fünfzig Hühner! Sonst noch etwas, was diese … Hebamme euch gegeben hat? Gegen entsprechende Zahlung natürlich.«
»Ja. Dies hier.« Die Mutter streckte ihm ein Leinensäckchen entgegen.
Aaron nahm das Leinensäckchen, öffnete es und roch daran.
»Sie sagte, ich solle die Kräuter in Wasser geben, es kochen und umrühren, den Sud sollte meine Tochter trinken. Das würde ihr Erleichterung verschaffen. Meine Tochter hat es genommen, aber dadurch wurde alles noch schlimmer«, erklärte die Mutter mit weinerlicher Stimme.
Aaron reichte das Leinensäckchen an Anna weiter. »Was riechst du?«, fragte er sie.
Anna steckte die Nase gründlich hinein und meinte nach kurzem Nachdenken: »Brennnessel, Bohnenkraut und ein Hauch Nelkenwurz.«
»Sehr gut«, erwiderte Aaron erstaunt. »Du hast einen außerordentlich guten Geruchssinn. Und was erreicht man mit Brennnessel, Bohnenkraut und Nelkenwurz?«
»Die Kranke bekommt Verstopfung«, antwortete Anna.
»Richtig. Wieder einmal ein Fall von Quacksalberei.«
Er wandte sich erneut an die Mutter.
»Ich werde Eure Tochter mit Eurer Erlaubnis untersuchen, dann sehen wir weiter.« Er drehte sich zum Behandlungstisch um. »Wie heißt Ihr, Frau?«, fragte er die Schwangere.
»Ruth«, antwortete sie schwach.
»Wann ist die ungefähre Zeit Eurer Niederkunft?«, fragte er weiter.
Die Mutter antwortete für ihre Tochter: »In zwei oder drei Wochen sollte es so weit sein. Aber sie hat immer so krampfartige Schmerzen im Unterleib. Und das Kind bewegt sich kaum.«
Der Medicus fragte: »Hat sie verfrühte Wehen?«
»Ich glaube nicht.«
Aaron ging zu einem Regal und entnahm ihm ein seltsam geformtes Holzrohr, das an einem Ende verdickt, am anderen Ende schmal zulief. Anna hatte so etwas noch nie gesehen. Er drückte es Anna in die Hand. Das Rohr war eine Elle lang und sah aus wie ein am dünnen Ende abgesägtes Trinkhorn. Aber zuerst betastete der Medicus den Bauch der Schwangeren sanft und von allen Seiten.
Dann fragte er: »Wo sind die Krämpfe? Hier?« Dabei war seine Hand knapp über dem Schambein.
Ruth nickte. »Ja, genau da«.
Aaron streckte die Hand nach dem Instrument aus, und Anna reichte es ihm. Er schob die Tunika der Schwangeren dezent ein kleines Stück zurück und setzte das dickere Ende des Horns am Bauch der blassen Schwangeren an, dann neigte er sein Ohr ans andere. Auf diese Weise horchte er den ganzen Bauch ab, dann reichte er das Horchrohr wieder an Anna, die es ins Regal zurücklegte.
Zu guter Letzt befühlte Aaron mit der Hand noch die Stirn von Ruth, bevor er ihr die Hand reichte. »Ich darf Euch gratulieren, Ruth. Ihr werdet Zwillinge bekommen. Und soweit ich fühlen konnte, bewegen sie sich und sind gesund. Eure Krämpfe sind Koliken des Unterbauchs, keine Wehen, sie kommen zuweilen vor und sind nicht weiter gefährlich. Ich werde euch ein leichtes Mittel geben, das Eure Beschwerden lindern wird. Und wenn Ihr mich braucht, könnt Ihr wieder zu mir kommen oder mich rechtzeitig rufen.«
Mit Annas Hilfe richtete er die Schwangere vorsichtig
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