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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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Gesetz scharf zu kritisieren pflegte – und sie dennoch deckte. Dem Bruder und dem Namen der Familie zuliebe.
    Gero machte ein paar Schritte zum Altar, ging in die Knie und bekreuzigte sich, bevor er sich mit demütig gesenktem Haupt neben seinen Vater begab, wo er strenge und vorwurfsvolle Blicke von Vater und Onkel zugefunkelt bekam.
    Für Gero und seinen Vater sowie die anderen Repräsentanten des Reichs war die vom Prior vollzogene Geste der Fußwaschung nicht nur Ritual, sondern politische Pflicht und Demonstration zugleich. Sich dem gemeinen Volk neben dem Erzbischof zu zeigen war ein deutliches Signal dafür, wer im Reich in der Gnade seines Erzbischofs und damit Gottes stand.
    Der Prior drehte sich nach dem »Amen« zu den Gläubigen um, während im Gewölbe des Kirchenschiffs der Gesang der Mönche wieder eindrucksvoll anschwoll. Pater Urban nickte zu seiner rechten Seite, wo zwei Messdiener mit einer Waschschüssel und einem Tuch herankamen. Feierlich schritten sie hinter dem Pater die Stufen vor dem Altar hinunter auf die zwölf Gläubigen zu, die nun ihre Beinkleider rafften. Zu seiner Überraschung und mit abrupt aufkochender Wut bemerkte Gero, dass der Novize mit dem Tuch niemand anderer als der kleine Mönch aus dem Klostergarten war. Gewaltsam musste er sich zwingen, nicht sofort aufzustehen und den verfluchten Messdiener mit seinem eigenen Tuch zu erwürgen. Dieser reichte dem Prior nach der Fußwaschung des Erzbischofs das Tuch, damit Pater Urban dessen Füße abtrocknen konnte. Als die Reihe an Gero kam, blickte der Novize kurz in Geros Augen, schlug sie aber sofort wieder nieder. Dieser winzige Moment hatte gereicht, dass Gero die Augen des Messdieners hatte aufblitzen sehen. Vor Schadenfreude womöglich. Aber eine andere Erkenntnis fuhr Gero schlagartig durch alle Glieder: Dieser junge Mönch war vom Teufel besessen! Oder gar eine Inkarnation Luzifers! Zwei verschiedenfarbige Augen waren ein eindeutiger Beweis! Gero versuchte, den Blick des Novizen mit aller Gewalt noch einmal auf sich zu ziehen. Doch der hielt stur den Blick auf den Boden gerichtet und tat alles, um Geros Blick auszuweichen.
    Als die Fußwaschung vorüber war und der lateinische Gesang der Chorbrüder im Kirchenschiff verhallte, verschwanden die Messdiener des Priors durch den Lettner neben dem Altar. In Gero arbeitete es. Mit diesem Novizen war er noch nicht fertig. Ganz im Gegenteil. Er würde sich eine fürchterliche Strafe ausdenken. Es würde eine Sühneaktion werden, die, wenn er mit diesem Kuttenträger fertig war, im Moor ihr befriedigendes Ende finden würde, so wie er das mit seinen Kumpanen Oswald und Lutz schon mehrfach bewerkstelligt hatte, wenn ihm jemand in die Quere gekommen war. Dieser Gedanke brachte Gero zum Schmunzeln.
    Die Gemeinde kniete nieder, um den Segen des Priors zu empfangen. Gero blieb stehen, ganz in seine Vergeltungsphantasien versunken. Sein Vater musste ihn kurz, aber heftig in die Seite stoßen, bis er reagierte. Endlich ließ sich Gero auf seine Knie nieder, aber das rachsüchtige Grinsen wollte nicht aus seinem Gesicht verschwinden.

III
    E s war sehr spät geworden. In der Empfangshalle des Abtes saß Prior Urban am Kamin, das Gesicht dem Feuer zugewandt, das sich in seinen Augen spiegelte. Die anstrengenden Feierlichkeiten hatten sich den ganzen Tag hingezogen, Gäste mussten begrüßt und bewirtet, Bittgesuche gelesen und beurteilt werden. Der Erzbischof hatte sich nach der Vesper aus dem Refektorium zurückgezogen. Er ließ ausrichten, dass er sich unpässlich fühle und ausruhen müsse. Einen Trank, den Pater Urban von seinem Famulus herstellen lassen wollte, hatte er beinahe brüsk abgelehnt.
    Pater Urban ahnte, warum. Schließlich hatte er um eine Audienz beim Erzbischof nachgesucht. Er konnte und wollte dieses Gespräch nicht länger hinauszögern, denn unangenehme Dinge pflegte er immer sofort zu erledigen. Doch dieses Mal steckte er in einer Zwickmühle. Eigentlich hatte er dieses heikle Gespräch mit seinem Abt führen wollen. Aber nun, da Erzbischof Konrad von Hochstaden Kloster Heisterbach früher als üblich einer Visitation unterzog, musste sich Pater Urban seinem höchsten Vorgesetzten anvertrauen, ob er wollte oder nicht. Sonst bestand die Gefahr, dass alles, was er in der Absenz des Abtes herausgefunden hatte, unweigerlich auf ihn zurückfiel, wenn es später vom Erzbischof aufgedeckt werden würde. Dann würde man ihn verdächtigen und verurteilen anstelle des wahren

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