Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
Eminenz!«
Jetzt war die Katze aus dem Sack.
Der Erzbischof schwieg. Niemand sagte ein Wort. Man könnte einen Engel hereinkommen hören, dachte Pater Urban in diesem unangenehmen Moment.
Schließlich beugte sich Erzbischof Konrad von Hochstaden zum Feuer, griff nach dem Schürhaken und stocherte bedächtig in der Glut herum. Dann durchbrach er das eisige Schweigen.
»Habt Ihr Beweise, Bruder Urban? Eine solche Behauptung, wenn sie sich als Verleumdung erweist, könnte Euch Kopf und Kragen kosten.«
Pater Urban nahm die zwei Bücher, die er eingehend studiert hatte, ein graues und ein blaues, und reichte das graue dem Erzbischof, der es, ohne es auch nur eines Blickes zu würdigen, an Pater Sixtus weitergab. Pater Sixtus fing an, darin herumzublättern.
Pater Urban erläuterte: »Das graue Buch enthält die offizielle Buchführung des letzten Jahres, also des Jahres 1241, so, wie ich es bei unseren Mitbrüdern in Bologna gelernt habe. Jede Seite ist, wie Ihr seht, von unserem Abt abgezeichnet.«
»Ist es so?«
Der Erzbischof hatte sich an Pater Sixtus gewandt. Der nickte bestätigend. »So ist es.«
»Das blaue hingegen«, Pater Urban hielt das Buch hoch, »das blaue ist eine geheime Buchführung. Die wahre, wenn Ihr so wollt.«
Diesmal reichte Pater Urban das Buch gleich an Pater Sixtus weiter, der es mit spitzen Fingern entgegennahm, als könnte es jeden Augenblick von selbst in Flammen aufgehen.
»Wo habt Ihr das blaue Buch her?«, fragte der Erzbischof, noch immer in einem Ton, als rede er über die Exegese einer unwichtigen Bibelstelle.
Der Prior trat an den Schreibtisch des Abtes, der reich mit geschnitzten Blattranken verziert war.
»Von hier«, sagte er und drückte auf einen kleinen Vorsprung, worauf ein Geheimfach aufsprang, in welches das blaue Buch genau hineinpasste. Zu Pater Urbans Erstaunen stand der Erzbischof tatsächlich auf und unterzog das Fach einer genaueren Überprüfung. Pater Urban klappte zur Demonstration den Deckel des Fachs wieder zu und löste den Mechanismus noch einmal aus. Wieder sprang das Fach auf.
»Ich bin aus Versehen daran gestoßen. Der Abt hatte mich über dieses Geheimfach nicht aufgeklärt.«
»Ihr meint«, und das sagte der Erzbischof beinahe genüsslich, »der Abt hat davon gewusst?«
»Es ist die Schrift unseres Abtes. Im blauen Buch.«
Der Erzbischof sah Pater Sixtus fragend an, der nickte zur Bestätigung.
Konrad von Hochstaden machte einen Schritt auf Pater Urban zu und fing seinen Blick ein. »Und warum besprecht Ihr das nicht vorher mit Eurem Abt? Wäre das nicht die angebrachte Vorgehensweise, dass Ihr ihn mit eurem Verdacht konfrontiert? Oder gibt es etwa Anlass, Eurem Abt zu misstrauen?«
Der letzte Satz war geflüstert, Konrad von Hochstaden stand jetzt so nahe vor Pater Urban, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Der Prior empfand diesen Moment als körperlich unangenehm, aber er wich nicht zurück, sondern erwiderte: »Selbstverständlich nicht. Deshalb war die Entdeckung des blauen Buches ja so überraschend für mich.«
Der Erzbischof starrte Pater Urban noch kurz in die Augen, dann nickte er und wandte sich wieder dem Kaminfeuer zu.
Leise sagte er: »Ist Euch bekannt, dass Abt Melchior vor zwei Tagen verstorben ist?«
Jetzt wich Pater Urban doch noch vor Schreck einen Schritt zurück und bekreuzigte sich.
»Heilige Mutter Gottes! Der Abt ist tot?«
Der Erzbischof sagte: »Friede seiner Seele« und bekreuzigte sich ebenfalls, Pater Sixtus tat es ihm gleich.
Pater Urban musste sich setzen. »Amen! Was ist mit ihm geschehen?«
Der Erzbischof wandte sich mit unbewegtem Gesicht wieder Pater Urban zu. »Er wurde von mir abgesetzt. Darauf hat Gott ihn zu sich befohlen.«
»Abt Melchior wurde abgesetzt?«
»So ist es. Mir blieb keine andere Wahl. Er hat versucht, mir zu drohen. Das kann ich nicht zulassen. Leider hatte ich bei der Absetzung das fortgeschrittene Alter des Abtes nicht berücksichtigt. So konnte er uns nicht mehr mitteilen, wo er die schriftlichen Unterlagen für seine Verbrechen versteckt hat. Aber das habt Ihr mit Eurer Entdeckung ja Gott sei Dank ans Licht gebracht. Wer weiß, ob wir das Versteck jemals gefunden hätten.«
»Weiß der König davon?«, fragte Pater Urban mit zittriger Stimme.
»Bis jetzt weiß es niemand außer uns.« Erzbischof Konrad deutete auf Pater Sixtus und lächelte Pater Urban kalt an. »Und Euch natürlich.«
Spöttisch fügte er hinzu: »Der König ist jung und hat genug damit zu tun,
Weitere Kostenlose Bücher