Das Geheimnis der Mondsänger
Fenster. Der Strahl einer Laterne beleuchtete die gegenüberliegende Wand, und ich hörte Stimmen. Dann ging eine Gruppe von Männern vorbei, und einer von ihnen trug den Umhang eines Edelmannes.
Kurze Zeit später klirrte Metall gegen Metall, und jemand machte sich am Eingang der Rampe zu schaffen. Ich weiß selbst nicht, weshalb ich wieder meinen alten Platz einnahm. Licht strahlte plötzlich zu mir herunter, so stark, daß es mich blendete und die anderen im Schatten blieben. Erst als sie in meine Zelle kamen, konnte ich sie etwas genauer sehen.
Es war die gleiche Gruppe, die am Fenster vorbeigegangen war. Jetzt sah ich deutlich, daß der junge Edelmann der gleiche wie damals am Spieltisch war.
Es gibt einen Trick, der so alt ist, daß er schon fadenscheinig wirkt, aber ich wandte ihn an. Wenn man nichts sagte, war der Gegner gezwungen, zuerst zu sprechen. So fragte ich nicht nach einer Erklärung, sondern blieb ruhig sitzen und studierte die Fremden.
Zwei der Männer holten die Bank von der Wand, und der Edelmann setzte sich wie jemand, der solche Aufmerksamkeiten gewohnt ist. Der dritte Begleiter hängte die Laterne an einen Wandhaken zu meiner Linken, und von dort verbreitete sie nun einen gleichmäßigen Schein.
»Du!« Ich weiß nicht, ob mein Schweigen den Edelmann überrascht hatte oder nicht, aber ich glaubte Verärgerung in seiner Stimme zu erkennen. »Weißt du, wer ich bin?«
Das war der klassische Anfangssatz zwischen yiktorischen Feinden, ein Herunterleiern von Namen und Titeln, die den Gegner beeindrucken sollten.
Als ich keine Antwort gab, runzelte er die Stirn, beugte sich vor und legte die geballten Fäuste auf die Knie.
»Das hier ist Lord Osokun, erster Sohn von Lord Oskold, dem Herrn von Yenlade und Yuxisome.« Der Mann, der immer noch neben der Laterne stand, sang es wie ein geübter Kampfherold.
Weder der Name des Sohnes noch der des Vaters sagte mir etwas. Auch die Länder, die sie regierten, waren mir unbekannt. Ich schwieg weiter. Ich sah keine Geste von Osokun, und er erteilte auch keinen Befehl. Aber einer seiner Männer sprang auf mich los und ohrfeigte mich, daß mein Kopf hart gegen die Wand schlug und ich fast das Bewußtsein verlor. Nur meiner Willenskraft hatte ich es zu verdanken, daß ich auf den Beinen blieb. Wollten sie es also so haben? Sie schienen fest entschlossen, ihren Willen mit Gewalt durchzusetzen.
Und Osokun machte mir bald klar, was sie eigentlich von mir wollten.
»Du hast Waffen und Wissen, Fremdling. Du wirst uns beides geben, wenn nicht auf die eine, dann auf die andere Weise.«
Zum erstenmal antwortete ich. Meine Lippen schwollen von dem Schlag langsam auf.
»Hast du solche Waffen bei mir gefunden?« Ich redete ihn nicht mit seinem Titel an.
Er lachte. »Nein, dein Kapitän war zu klug. Aber du hast das Wissen. Und wenn er dich wiederhaben will, werden wir in Kürze auch die Waffen besitzen.«
»Wenn du uns Handelsschiffer kennst, wirst du auch wissen, daß wir eine Gedankensperre gegen solche Enthüllungen haben.«
Sein Lächeln wurde breiter. »Ich habe davon gehört. Aber jede Welt hat ihre Geheimnisse, das wirst auch du schon erfahren haben. Wir besitzen ein paar Schlüssel, um solche Sperren zu öffnen. Wenn es uns nicht gelingt, nun, dann kann man nichts machen. Aber dein Kapitän wird sich auf alle Fälle einen Tauschhandel überlegen müssen. Los, fangt an!« Sein letzter Befehl kam wie ein Peitschenhieb.
Ich will mich nicht daran erinnern, was damals in dem Verlies geschah. Die Leute, die das Verhör führten, waren Meister ihres Fachs. Ich weiß nicht, ob Osokun wirklich glaubte, er könnte auf diese Weise etwas von mir erfahren, oder ob ihm die Quälerei ein persönliches Vergnügen bereitete. Ein Großteil der Vorgänge ist nicht mehr in meinem Gedächtnis. Ein Esper, selbst ein schwacher Esper, kann Teile seines Bewußtseins abschalten, um das Gleichgewicht des Verstandes zu bewahren.
Sie konnten nichts von Bedeutung erfahren haben. Und sie waren auch solche Könner, daß sie mich nicht für immer verstümmelten. Aber ich merkte nicht, wann sie aufhörten und gingen. Als der Schmerz mich wieder zur Besinnung brachte, schien abermals graues Licht durch den Fensterschlitz. Die Bank war an ihren alten Platz gerückt, und es stand ein Krug darauf. Daneben befand sich ein Teller mit einer kalten, fettigen Masse.
Ich kroch zur Bank hinüber. Ich trank und spürte die Belebung, die mir das bittere Wasser brachte. Doch es dauerte sehr
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