Das Geheimnis der Mondsänger
Mut, um die Frage zu beantworten.
Dann brachte ich schöne Erinnerungen für Simmle hervor und ließ sie darin wandern. Sie war glücklich und zufrieden. Und als sie besonders glücklich war, erlöste ich sie.
Doch für mich war es eine zusätzliche Last. Ich nahm die leere Hülle und legte sie unter die Felsen. Jorth schlief tief, und wenn seine Wunde heilen würde, war jetzt der Anfang gemacht.
Ich sah mich im Lager um und bereitete alles für den Aufbruch vor. Einen der Wagen mußte ich hierlassen, und ich holte daraus, was ich brauchte. Die Käfige der Kleinen brachte ich in den beiden anderen Wagen unter. Ich legte Jorth auf eine Mattenschicht des ersten Käfigs. Dann befahl ich den Kasi, loszufahren. Sie brauchten keinen Führer, sondern kamen einfach hinter meinem Wagen her.
Die Sonne schien blasser, denn der Winter war nahe. Zweimal sah ich weit in der Ferne Reitergruppen, aber wenn sie meinen kleinen Wagenzug entdeckten, so kamen sie jedenfalls nicht näher. Vielleicht war es gut, wenn wir am Tage dahinfuhren, ohne uns zu verstecken, denn die seltsame Art der Thassa war bekannt und würde kaum Aufsehen erregen. Wären wir in der Nacht gereist, so hätten wir vielleicht Mißtrauen geweckt.
Die Kasi waren nach der langen Ruhe im Lager frisch und ausdauernd, und so dehnte ich die Tagesstrecke um ein gutes Stück aus.
Hin und wieder hielt ich an, um die Verletzten zu versorgen. Am meisten fehlte mir Simmle. Sie hatte mir mehr bedeutet als die anderen – denn wir hatten einst die Körper ausgetauscht. Es gibt keine Worte, um diese Beziehung zu erklären. Ich würde jedenfalls immer um sie trauern. Und wäre ich zuerst gegangen, so hätte sie die gleiche Leere gespürt.
Wir kamen auf den Weg zum Tal. Während die Kasi auf Yim-Sin zuhielten, sang ich für Jorth und mein kleines Volk. Die Nacht kam, und ich sah im Dunkel Feuerschein. Oskolds Land lag hinter den Bergen. Wir waren jetzt in der Ebene. Entweder hatte er die Eindringlinge bis hierher verfolgt, oder der Streit hatte sich ausgeweitet und umfaßte jetzt das ganze Land. Und ich mußte an die Gerüchte denken, die ich in Yrjar gehört hatte. Es hieß, daß sich Fremdlinge in die Machtkämpfe der Edelleute mischten und daß die Lydis gestartet war, um irgendeiner drohenden Gefahr zu entgehen.
Vielleicht hatte mein Gesang mehr Kraft, weil wir unter dem vollen Licht des Mondes dahinfuhren. Die Lebensflamme des Barsks brannte jetzt ruhiger. Ich beugte mich vor und legte den Stab zur Seite. Ich war zu müde, um meinen Dank in Worte zu fassen, aber ich wußte nun, daß Jorth leben würde. Und wenn er lebte, würde er mein Angebot akzeptieren.
Wir hielten Rast, bevor wir in den Hauptweg nach Yim-Sin einbogen. Ich ließ das kleine Volk für kurze Zeit frei. Und dann brachte mir Borba eine Botschaft, die mich beunruhigte. Über den Weg war vor kurzer Zeit eine große Reitergruppe gekommen. Ich konnte noch die Gefahr erkennen, die die Straße umschwebte.
Und doch blieb mir keine andere Wahl, als die Straße ebenfalls zu benutzen. Was suchten die Fremden hier? Jeder wußte, daß der Weg ins Tal führte und daß man ihn meiden sollte. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Krieger ihn benutzten.
Und doch werden in Kriegszeiten so viele Dinge getan, die Wahnsinn sind. Ich dachte an den Frieden von Umphra und an jene, die ihn seit Ewigkeiten hüteten. Sie würden nicht glauben, daß ihnen Gefahr drohte. Und man würde sie vernichten wie Insekten.
Aber vielleicht täuschte ich mich auch. Und ich hatte keinen anderen Weg zur Verfügung. So versorgte ich die Kleinen und ruhte bis zum Mondaufgang. In dieser Nacht brauchte ich den Mond, denn meine Energie war erschöpft.
Mit dem Licht des Mondes aber wetteiferte ein anderes Leuchten – der Feuerschein vor uns. Dort drüben lag Yim-Sin.
Ich schirrte die Kasi an und fuhr los. Über den glatten Weg kamen wir schneller voran. Aber hatte Eile jetzt überhaupt Sinn? Vielleicht liefen wir nur den Kriegern in die Hände, die Yim-Sin in Brand gesteckt hatten. Meine Waffen reichten für solche Kämpfe nicht aus.
Ich vernahm eine schwache Bewegung hinter mir. Dar Barsk hatte die Augen geöffnet und sah mich an.
»Krip Vorlund!«
Sein Blick blieb stumpf. Angst stieg in mir hoch. Wußte er nicht mehr, daß er ein Mensch war? Ich hob den Stab und richtete ihn gegen seine Stirn.
»Du bist Krip Vorlund! Du bist ein Mensch!«
Er gab keine Antwort, aber ich sah die Veränderung in seinen Augen.
»Ein Mensch«, wiederholte
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