Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
Seite des Fensters tauchte aus der Dunkelheit ein anderer Finger auf und legte sich an ihre Fingerspitze. Vor Schreck fuhr Holly zusammen, aber als sie die Hand hinter dem Finger sah, eine kräftige Hand, die Holly für immer festhalten konnte, zog sie den Finger nicht zurück. Hinter der Hand war ein Arm, der sich um ihre Schulter legen und vor allen Gefahren beschützen konnte. Und hinter dem Arm tauchte zu Hollys Überraschung die Brust, der Hals, das Gesicht ihres Liebsten auf, und Holly verschlug es den Atem.
»Willst du mich vielleicht mal reinlassen?«, rief Tom, der fröstelnd im Regen stand.
Holly öffnete die Tür und warf sich in seine Arme. Sie konnte gerade noch Toms Gesicht mit Küssen bedecken, bevor sie in Tränen ausbrach.
»Hast du ein Leck?«, lachte Tom.
»Ich habe kein Leck, ich weine«, strahlte sie. Dann presste sie sich an ihn und küsste ihn lange und leidenschaftlich.
»Du hast immer noch Mundgeruch«, grinste er.
»Ich? Du riechst, würde ich sagen. Als hättest du wochenlang kein Wasser und keine Seife gesehen.«
»Was erwartest du von einem Mann, der zwei Tage unterwegs ist, um zu seiner armen, kranken Frau nach Hause zu kommen?«
Holly hielt ihn fest und ließ den Regen achtlos auf sich niederprasseln. Tom hatte es eiliger, ins Trockene zu kommen, er nahm Holly kurzerhand auf den Arm und trug sie ins Haus. Holly blickte über seine Schulter zur Monduhr, und warf ihr zum ersten Mal ein Lächeln zu.
»Sieh mal, ich habe schon ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk bekommen.« Holly drehte sich zu Jocelyn um. Aber Jocelyn war verschwunden.
»Sollte ich nicht lieber hinterherfahren und sie nach Hause bringen?«, meinte Tom.
Holly seufzte bekümmert auf. »Lass nur. Sie kommt schon zurecht.«
Tom sah müde aus, als er nass und zähneklappernd mit Holly auf dem Arm in der Küche stand. »Was soll ich denn jetzt mit dir machen?«, grinste er verschmitzt.
»Oh, ich habe mir schon was ausgedacht, keine Sorge«, sagte Holly.
DREIZEHN
E s war ein Weihnachtsfest wie im Bilderbuch, Holly war rundum glücklich. Sie feierte im Kreis der Familie, die aus Tom, seinen Eltern, Jocelyn und ihrer weiteren Verwandtschaft bestand, zu der auch Lisa und deren Tochter Patti gehörte. Patti verbrachte ihre Semesterferien zu Hause und nutzte nur zu gerne die Gelegenheit, Tom mit Fachfragen zu bombardieren.
Jocelyn machte gute Miene zum bösen Spiel, aber Holly wusste, dass sie in Wahrheit untröstlich war. Holly sorgte dafür, dass sie genügend Zeit füreinander hatten, und bestand darauf, Jocelyn nach dem Weihnachtsessen nach Hause zu begleiten, wo sie die Einladung auf eine Tasse Tee nur zu gern annahm.
Holly war noch nie in Jocelyns Wohnung gewesen und überrascht, wie eng sie war. Zwei Sessel drängten sich um ein tragbares Fernsehgerät, aber Jocelyn und Holly setzten sich lieber an den kleinen Bistrotisch, offensichtlich ein ausgemustertes Stück aus der Teestube. Der Tisch stand an dem einzigen Fenster, vor dem üppige Winterveilchen im kalten Wind zitterten. Hinter dem leuchtenden Violett und Gelb der Blumen war die Kirche zu sehen, deren steinerne Fassade genauso grau war wie Jocelyns Gesicht. Es hatte sich bisher noch keine Gelegenheit ergeben, über
die Zukunft zu sprechen, auch für Holly nicht, die Jocelyn noch ein besonderes Geschenk übergeben wollte, nämlich die Aufzeichnungen und den Holzkasten mit der Glaskugel und dem auseinandergenommen Mechanismus.
»Ich brauche die Sachen nicht mehr« sagte Holly. »Solange ich schwanger bin, will ich kein Risiko eingehen. Außerdem ist es nicht nötig, Libby zu besuchen, ich habe sie jetzt immer bei mir.« Holly klopfte sich auf ihren flachen Bauch. »Du musst mir nur dabei helfen, dass die Monduhr nicht in falsche Hände gerät. Tom braucht nicht zu wissen, was sie anrichten kann. Sie hat sich lange genug in unser Leben gemischt.«
»Wenn ich gewusst hätte, worauf die Geschichte hinausläuft, hätte ich den Kasten schon längst an mich genommen.«
»Vielleicht ist es ein bisschen viel verlangt, aber ich brauche dich jetzt noch mehr als zuvor«, sagte Holly nachdrücklich. »In den vergangenen acht Monaten wurde mein ganzes Gefühlsleben auf den Kopf gestellt, das hat nicht nur mich, sondern auch meine Beziehung zu Tom belastet. Es war nicht einfach, wir haben uns immer weiter voneinander entfernt – und ich meine nicht nur die Meilen, die zwischen uns lagen. Jetzt ist alles wieder gut; ich bin völlig im Reinen mit mir, auch mit Tom, es
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