Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
und Jocelyn faszinierte sie. Holly hatte
das eindeutige Gefühl, dass sich hier eine Freundschaft anbahnte, ein Gedanke, der ihr gefiel und sie in gewisser Weise für ihre ungestillte Neugier entschädigte.
Holly versuchte sich zu entspannen, aber je mehr sie sich bemühte, umso mehr rasten ihre Gedanken im Kreis. Die Stunden verstrichen, unruhig wälzte sie sich von einer Seite auf die andere, bis sie sich schließlich geschlagen gab, sich reckte und streckte und die Augen öffnete. Das Display auf ihrem Wecker zeigte sieben Minuten nach zwei. Durch die Jalousien sickerte das Mondlicht und versetzte den Raum in eine Stimmung, wie es nur das natürliche Licht des Mondes kann. Hollys Herz setzte einen Moment aus, als ihr einfiel, was Jocelyn gesagt hatte, als sie durch Toms Anruf abgelenkt war: »Ihr habt die Monduhr wieder aufgestellt.« War es das, was sie nicht zur Ruhe kommen ließ? Dann gab es nur eine Möglichkeit, die Dämonen zu verscheuchen, die sie am Schlaf hinderten.
Holly stolperte aus dem Bett und öffnete die Jalousie. Ein kreisrunder Vollmond war über den aufgetürmten Wolken aufgegangen. Der Sturm, der tagsüber getobt hatte, hatte sich gelegt und war nicht mehr als eine blasse Erinnerung, die sich in der Nachtluft verflüchtigt hatte. Holly sah in den Garten hinunter, der sich in allen erdenklichen grauen Schattierungen vor ihr ausbreitete. Aber nicht die weißen Tupfer auf den Obstbäumen, die ihre ersten Blüten zeigten, fesselten ihre Aufmerksamkeit, auch nicht die Osterglocken, deren weiße Köpfe hier und da wie Irrlichter auf und ab tanzten, sondern die Monduhr. Sie stand genau in der Mitte des Gartens, im vollen Licht des Mondes. Es war, als leuchtete sie selber.
Holly konnte sich nicht erklären, warum sie sich von dem verführerischen Glitzern der Monduhr angezogen fühlte, und weshalb sie dem Wunsch, die Uhr näher in Augenschein zu nehmen, beim besten Willen nicht widerstehen konnte. Als sie ein T-Shirt und die Jogginghose überstreifte und die Treppe hinuntereilte, musste sie beinahe über ihre eigene Dummheit lachen. Sie schlüpfte in ihre Turnschuhe, und auf dem Weg durch die Küche griff sie aus ebenso unverständlichen Gründen nach dem Holzkasten mit den fehlenden Teilen für die Monduhr und nahm ihn mit in den Garten.
Der Frühling hatte die Winterkälte noch nicht ganz vertrieben. Holly fröstelte in der kühlen Aprilnacht. Die Erde war feucht, und im hohen Gras, das seit Ewigkeiten nicht mehr gemäht worden war, waren ihre Hosenbeine im Handumdrehen bis zu den Knien durchweicht.
Als Holly sich der Monduhr näherte, spürte sie plötzlich einen Kloß im Hals. Der Garten, der tagsüber so still und friedlich aussah, wirkte bei Nacht fast bedrohlich, wenn der Wind durch die überall verstreuten toten Äste fuhr, und raschelnd an die Vergänglichkeit des Lebens gemahnte.
Holly hatte fast das Gefühl, dass ein unsichtbarer Puppenspieler ihre Hand lenkte, als sie den Kasten auf den Stein legte und ihn öffnete. Sie hielt die Kugel ins Mondlicht, die glitzerte und blinkte, als aus dem Prisma in ihrer Mitte kleine scharfe Lichtblitze schossen.
Vorsichtig setzte Holly die Kugel in die Vertiefung in der Mitte des Steins, wo sie gegen die Metallhalterung schepperte. Holly beobachtete fasziniert, wie die Kugel
immer mehr Mondlicht einfing, bis sie zu leuchten anfing, wie ein kleiner Mond, der in der Halterung gefangen war. Vor Schreck blieb ihr fast das Herz stehen, als der Mechanismus plötzlich zum Leben erwachte, und die Greifer mit einem dumpfen, metallischen Geräusch nach der Kugel schnappten. In Sekundenschnelle schossen Lichtblitze aus der leuchtenden Kugel und wirbelten wie rasende Uhrzeiger immer schneller im Kreis. Als Holly nach der Monduhr zu greifen versuchte, durchzuckte plötzlich ein elektrischer Schlag ihren Arm.
Instinktiv zog sie die Hand zurück und wurde von gleißendem Mondlicht eingehüllt. Ihre Beine gaben nach, sie taumelte, und im Fallen prallte sie mit dem Kopf gegen den Rand der Uhr. Unsanft landete sie auf dem Boden, hinter ihren geschlossenen Lidern tanzten Sterne. Sie hörte das gleichmäßige Ticken einer Uhr, das allmählich schwächer wurde, bis nur noch das wilde Klopfen ihres Herzens in ihren Ohren pochte.
Holly war völlig verstört und durcheinander. Sie versuchte, ruhig durchzuatmen und sich zu sammeln, und stützte sich mit beiden Händen am Boden ab. Das Gras unter ihren Händen war weich und üppig, als würde sie auf einem ordentlich
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