Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
Kasten.
Eine ernüchternde Niederlage für Holly. Bis zum nächsten Vollmond Ende Juli musste sie ganze drei Wochen warten, und sie hatte das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen. Die Trennung von Tom war belastend genug, aber nicht zu wissen, ob sie bald sterben musste, war schier unerträglich.
In dieser Nacht warf Holly sich ruhelos im Bett herum. Verzweifelt versuchte sie das, was sie in ihrer Halluzination gesehen hatte oder glaubte, gesehen zu haben, mit ihren bisherigen Erkenntnissen in einen vernünftigen Zusammenhang zu bringen. Vielleicht hatte ihr Sturz auf den Kopf ernsthafte Schäden verursacht. Vielleicht hatte sie den Wintergarten in ihrer Vision gar nicht gesehen. Vielleicht hatte sie Tom mit kurzen Haaren gar nicht gesehen. Was, wenn ihr Gedächtnis ihr einen Streich gespielt hatte, als Tom von seinen Plänen erzählte? Leuchtete das nicht eher ein? Sicher, die Parallelen zwischen ihren eigenen Erlebnissen und der Legende des Mondsteins blieben weiter unerklärlich, aber ob die Monduhr überhaupt etwas mit dem geheimnisvollen Mondstein zu tun hatte, war genauso fraglich.
»Reflexion ist der Schlüssel« hieß es auf der Inschrift, aber was sollte das bedeuten? Der Mond reflektierte das Sonnenlicht und erhellt die Nacht. Die Monduhr reflektiert dieses Licht und erhellt was? Die Zukunft?
Holly überlegte, ob sie mit Jocelyn über die Monduhr sprechen sollte. Hatte sich Jocelyn nicht merkwürdig verhalten, als sie zu dritt um die Uhr herumstanden? Wusste Jocelyn mehr, als sie zugab? Doch bevor Holly nicht der Lösung des Rätsels ein Stück näher gekommen war, wofür sie erst den nächsten Vollmond abwarten musste, wollte sie die Sache für sich behalten. Sie schüttelte den Kopf, um sich aus dem Spinnennetz der Theorien zu befreien, in dem sich ihre Gedanken verheddert hatten.
Ihre Nächte wurden immer unruhiger, und sie schlief immer schlechter, während der Mond abnahm, bis er nur noch ein schiefes Lächeln, nein, ein höhnisches Grinsen war. Und dann öffnete er langsam wieder seinen Rachen, um ihre schwindende Hoffnung zu verschlingen, dass sich alles mit einem Sturz auf den Kopf erklären ließe.
Während sich Hollys Gedanken nachts um die Monduhr drehten, war sie tagsüber mit Mrs Bronsons Skulptur beschäftigt. Die Figur des Babys war ihr hervorragend gelungen, seine zarten Rundungen rührten sie immer wieder. Die Figur der Mutter näherte sich ebenfalls der Vollendung, sie wiegte das Baby auf eine Weise im Arm, dass Holly meinte, die Last des Kindes selber zu spüren. Die Mutter hielt ihr Baby, als sei es eine empfindliche Blume, aber gleichzeitig erweckte ihre Haltung irgendwie den Eindruck, als hätte sie eine eiserne Hand.
Holly trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu betrachten. Ihre Hände starrten vor Dreck, vom pausenlosen Schmirgeln und Feilen an unvollkommenen Linien und Kanten. Die Arbeit war fast fertig, doch Holly runzelte kritisch die Stirn, irgendetwas störte sie. Langsam ging sie um die Skulptur herum und kontrollierte jeden Zentimeter. Es fehlte noch der letzte Schliff, der der endgültigen Fassung vorbehalten war, aber ansonsten war alles so, wie es sein sollte. Immer noch unzufrieden trat Holly ein paar Schritte zurück, bis fast an die Tür, um die Arbeit aus einem größeren Abstand zu mustern. Irgendetwas an der Haltung stimmte nicht, obwohl sie genau mit der Entwurfsskizze übereinstimmte.
Holly sah sich nach einem feinen Meißel um, hielt aber plötzlich inne, und atmete tief durch. »Für Mrs Bronson reicht’s«, sagte sie sich leicht verärgert.
Es war erst Mitte Juli, seit Tagen lag ihr ihre Auftraggeberin in den Ohren, obwohl der Termin zur Gegenzeichnung des Entwurfs erst Ende des Monats war. Holly wusste, dass sie über ihren Schatten springen und einsehen musste, dass sie nichts Besseres zustande brachte. Resigniert lehnte sie sich an die Tür des Ateliers, die sich in diesem Augenblick nach außen öffnete und Holly ins Leere fallen ließ.
»Vorsicht«, rief Billy und fing Holly gerade noch rechtzeitig auf.
Er lächelte mitleidig und schüttelte den Kopf. »Man kann euch Frauen doch wirklich nicht allein lassen«, seufzte er.
»Ich komme bestens allein zurecht«, schnaubte Holly.
»Typisch Frau!«
»Sie können mich jetzt loslassen, Billy.«
»Ihr Wunsch ist mir Befehl«, meinte er und ließ los.
Holly landete unsanft auf dem Boden. »Besten Dank, Billy«, sagte sie und rieb sich den Ellenbogen, als sie sich aufrappelte. »Was machen Sie
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