Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
entlocken. Die Uhr lag still und stumm unter einer Schneedecke. Holly wollte sich schon abwenden, als sie plötzlich stutzte. Es dauerte jedoch eine
Weile, bis sie begriffen hatte, warum. Zwischen dem Haus und der Monduhr lag dicker Schnee, auf der eine einzelne Spur von Fußabdrücken zu erkennen war, die Hollys Rückweg zum Haus markierte. Holly starrte angestrengt in das Schneetreiben, um die Fußabdrücke genauer sehen zu können, vor allem die weiter entfernten in der Nähe der Uhr. Obwohl es heftig schneite, hätte der Schnee nicht gereicht, ihre Abdrücke so schnell zu bedecken, doch die Spuren verschwanden direkt vor ihren Augen. Die Abdrücke in der Nähe des Hauses lösten sich zuletzt auf, und Holly traute ihren Augen nicht, als der Schnee die fußförmigen Vertiefungen millimetergenau auffüllte. Im Nu sah die Schneedecke auf dem Rasen aus, als wäre Holly nie darübergelaufen.
Hastig drehte sie sich um und drückte die Klinke der Hintertür, aber ihre Hand glitt ab. Sie erinnerte sich, wie viel Kraft sie letztes Mal gebraucht hatte, und packte fester zu. Nur fort von diesem Schneegestöber, das nicht nur den Garten, sondern auch ihren Verstand verwüstete.
Die Küche strahlte Wärme und Geborgenheit aus, und glücklicherweise war niemand zu sehen. Holly lehnte sich mit geschlossenen Augen an die Tür. Die Schneeflocken in ihren Haaren schmolzen und tropften ihr über das Gesicht. Sie fühlten sich wie Tränen an, doch Holly wusste, dass Weinen jetzt nicht angebracht war. Sie musste sich wappnen für das, was ihr bevorstand.
Holly zitterte und schüttelte die lähmende Angst ab. Als sie die Augen öffnete, sah die Küche genauso aus, wie sie befürchtet hatte. Ein Durcheinander von schmutzigem Geschirr und Babysachen. Der Küchentisch war unaufgeräumt,
über der Kante hing eine aufgeschlagene Zeitung. Sie nahm die Zeitung hoch und suchte nach dem Datum. Sie war vom Januar 2012, gute eineinhalb Jahre in der Zukunft. Holly war klar, dass sie nicht länger leugnen konnte, eine Zeitreise gemacht zu haben. Aber damit konnte sie sich nicht lange aufhalten. Im Augenblick ging es darum, nicht den Verstand zu verlieren und diesen Alptraum heil zu überstehen.
Als sie die Zeitung wieder an ihren Platz legen wollte, entdeckte sie auf dem Tisch einen schwarzen, runden Brandfleck. Sie fuhr mit dem Finger über die Maserung, doch der Fleck schien nicht wegzugehen. Bislang war er ihr noch gar nicht aufgefallen. Obwohl das Ticken der Uhr, das den Anfang ihrer Zeitreise markiert hatte, nicht mehr zu hören war, hatte Holly das Gefühl, dass die Zeit verrann. Sie suchte verzweifelt nach einer Erklärung, aber sie hatte nur eine Chance zu verstehen, was hier geschah, oder besser gesagt, was in Zukunft geschehen könnte: Sie musste der Sache weiter auf den Grund gehen.
Holly verließ die Küche und verharrte einen Augenblick vor der Wohnzimmertür. Die Tür stand einen Spaltbreit offen, es war fast nichts zu hören. Die Schatten, die über die Wand huschten, gehörten zweifellos zu Tom. Hollys Herz klopfte bis zum Hals. Sie wusste, dass sie eintreten musste, und ob die Monduhr oder ihre Fantasie nun für dieses Spiel verantwortlich waren, spielte keine Rolle. Aus irgendeinem Grund war sie hier und sollte sich ihrer Zukunft stellen.
Leise schlich sie hinein und drückte sich so nah wie möglich an die Wand. Tom kniete mit dem Rücken zu ihr
vor einer Wickelunterlage, auf der Libby lag und heftig strampelte. Tom mühte sich ab, ihr einen rosa Strampler überzuziehen. Holly war froh, dass sie an der Wand stand, denn als Libby sich umdrehte und sie anlächelte, bekam sie weiche Knie und musste sich anlehnen. Tom folgte Libbys Blick, aber er zog nur verständnislos die Brauen in die Höhe. Holly brach es fast das Herz, dass er sie wieder überhaupt nicht wahrnahm.
»Was gibt’s denn da zu gucken, du kleine Kröte?« Tom kitzelte Libby am Bauch, die vor Vergnügen gluckste.
Am liebsten hätte Holly sich neben Tom auf den Boden gekniet und den Spaß mitgemacht. Sie wusste instinktiv, dass Libby ihre Tochter war, und wollte unbedingt ihr Kind in den Arm nehmen. Bestürzt stellte sie fest, dass ihr Verlangen, Libby in den Arm zu nehmen, größer war als ihr Bedürfnis, diesem Alptraum ein Ende zu bereiten.
»Bleib schön liegen, ich mach dir jetzt deine Flasche«, sagte Tom zu Libby, die inzwischen fertig angezogen war.
Er stand auf und drehte sich um, wobei Holly zu ihrer Erleichterung feststellte, dass er wieder ein
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