Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
Augenblick offenbar andere Sorgen als den Haushalt, trotzdem behagte es Holly nicht, dass Libby sich in so staubigen Räumen aufhielt. Mit dem Ärmel wischte sie den Staub beiseite, trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu betrachten, und sah zu ihrer Bestürzung, wie sich der Staub innerhalb von Sekunden wieder auf das Sims legte.
Holly hatte das Gefühl, in dieser Welt ein Fremdkörper zu sein, aber sie war fest entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Möglicherweise hing ihr Leben davon ab. In diesem Zimmer fanden sich keine weiteren Anhaltspunkte, was mit ihr geschehen war, weshalb Holly beschloss, ihre Nachforschungen auf das Arbeitszimmer auszuweiten. Sie schlich aus dem Wohnzimmer und lauschte, ob Tom irgendwo zu hören war. Er war im oberen
Stockwerk und fütterte Libby, doch Holly widerstand der Versuchung, hinaufzugehen und die beiden bei ihrem Abendritual zu beobachten. Stattdessen schlich sie an der Treppe vorbei ins Arbeitszimmer. Es lag im Dunkeln, nur der Mond schien durch das Fenster. Holly riskierte es, das Licht anzumachen, wobei sie erstaunt feststellte, wie leicht sich der Schalter diesmal umlegen ließ. Vielleicht wuchs mit ihrer Entschlossenheit, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, auch ihre Präsenz.
Tom arbeitete offenbar mehr zu Hause als früher. Als sie im Chaos seiner Unterlagen blätterte, stieß sie auf verschiedene Schriftstücke, die vermuten ließen, dass er die Stelle als Nachrichtensprecher mittlerweile angetreten hatte, falls sie sich wirklich eineinhalb Jahre später in der Zukunft befand. Auf machen Seiten befanden sich am Rand Bleistiftnotizen in Toms vertrauter Handschrift, obwohl der scharfe Ton der Anmerkungen und Kommentare Tom überhaupt nicht ähnlich sah. Die Unzufriedenheit war nicht zu übersehen.
Im Bücherregal fand Holly schließlich, wonach sie suchte – einen Order, auf dessen Rücken handschriftlich ein einziges Wort vermerkt war. Es war »Holly«, und im Gegensatz zu seinen Notizen hatte Tom sich die Mühe gemacht, jeden Buchstaben sorgfältig auszuschreiben. Im Ordner steckten verschiedene Dokumente und offizielle Schreiben, die sich alle auf ihren Tod bezogen, doch es gab nur ein Dokument, das ihr Schicksal erklären konnte.
Ihre Hände zitterten, als sie ihren Totenschein in der Hand hielt. Der Urkunde nach war sie am 29. September 2011 an einem Aneurysma gestorben, infolge von Komplikationen
bei der Geburt. Holly holte tief Luft und lauschte in sich hinein, wie das Blut durch ihre Adern strömte und ihr Herz kräftig schlug. Sie war zweifellos quicklebendig. »Papier ist geduldig«, sagte sie sich, lächelte tapfer und verdrängte, dass das Wissen um ihren baldigen Tod bereits wie ein Stein auf ihrer Seele lag.
Sie hörte leise Schritte auf der Treppe, legte die Papiere hastig wieder an ihren Platz und machte das Licht aus. Als sie den Flur betrat, verschwand Tom gerade in der Küche. Einen Augenblick später kam er mit einem Glas und einer Flasche Whisky wieder heraus. Holly folgte ihm nur zögernd ins Wohnzimmer. Irgendet was in seinem Ausdruck ließ sie nichts Gutes ahnen.
Tom ließ sich aufs Sofa fallen und starrte auf die Flasche in seiner Hand. Sein Gesicht war eingefallen, er sah nicht mehr wie der Mann aus, der mit Libby auf dem Arm das Zimmer verlassen hatte, sondern eher wie das Gespenst in ihrer ersten Vision. Holly beobachtete ihn von der Tür aus. Die Trostlosigkeit, die sich über den Raum legte, beunruhigte sie, und sie hatte das Gefühl, dem Ganzen plötzlich nicht gewachsen zu sein und sich für alle Fälle einen Fluchtweg offen halten zu müssen. Tom schenkte sich einen ordentlichen Whisky ein, ließ die goldgelbe Flüssigkeit im Glas kreisen und starrte hinein wie in einen Abgrund.
Dann zog er seufzend die Luft ein. Holly fuhr vor Schreck zusammen und stieß dabei an die halb geöffnete Tür, die sich ein Stück bewegte. Tom sah direkt in ihre Richtung, für einen Augenblick schien er sie zu bemerken; dann aber schlug sofort wieder die Verzweiflung über ihm
zusammen und ließ den letzten Funken Hoffnung erlöschen.
Tom schüttelte den Kopf und sah in sein Glas. »Hallo, Holly«, flüsterte er. »Ich weiß, dass du mich siehst. Ich weiß, dass du gerade den Kopf schüttelst und meinst, ich soll mich zusammenreißen. Warum trittst du nicht einfach durch diese Tür und sagst, dass ich gefälligst diesen Saustall aufräumen soll.«
»Räum diesen Saustall auf«, befahl ihm Holly. Sie sprach leise, aber so, dass Tom
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