Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
einen Gast beugen musste, um sich vorsichtig durch eine Lücke zwischen zwei Tischen zu schieben. Mrs Johnson
war recht ausladend, und der Platz, den sie nicht selber beanspruchte, wurde von ihrer kompletten Ausrüstung eingenommen, einschließlich dicker Wolljacke, Schirm und diverser Einkaufstüten. »Wie läuft die Arbeit auf dem Hof?«, ächzte Holly beim Durchzwängen.
»Oh, die Lämmer gedeihen prächtig, meine Liebe. Nach diesem strengen Winter kann ich mich nicht beklagen.«
»Denken Sie an das Rezept für die Lammkeule, das Sie mir versprochen haben?« Holly hatte es geschafft und steuerte auf den freien Tisch zu. Tom, der sich an ihre Fersen geheftet hatte, stolperte über eine Tüte und landete beinahe auf Mrs Johnsons Schoß.
»Das ist er dann wohl«, sagte Mrs Johnson und beäugte Tom misstrauisch.
»Nett, Sie kennenzulernen«, grinste Tom befangen.
Mrs Johnson tätschelte ihm die Wange und nickte bedächtig.
»Was für ein nettes Kerlchen«, sagte sie zu Holly. »Direkt zum Anbeißen.«
»Hände weg, der gehört mir«, lachte Holly und reichte Tom ihre rettende Hand.
Hier und da noch ein Händeschütteln, dann hatten Holly und Tom es bis an ihren Platz geschafft. Lisa war am Tresen beschäftigt, während ein junges Mädchen, das Holly noch nicht kannte, bediente. Das Mädchen mochte Anfang zwanzig sein und hatte kurze, dunkle Haare, die ihr etwas Koboldhaftes verliehen. Ihre dunkelbraunen Augen erinnerten Holly an Jocelyn. Aber sie sah auch Lisa ähnlich, so dass Holly vermutete, dass es sich um Patti, Lisas Tochter und Jocelyns Großnichte, handelte. Patti
studierte, soweit Holly von Jocelyn wusste, Englische Literatur. Nach der Schule hatte sie ein Jahr Auszeit genommen, woraus eine dreijährige Rundreise durch Europa geworden war, aber schließlich hatte sie den Sprung ins kalte Wasser gewagt und sich an der Uni eingeschrieben. Sie war die Erste in der Familie, die studierte, und Lisa und Jocelyn waren mächtig stolz auf sie.
»Was darf ich Ihnen bringen?«, erkundigte sich das Mädchen mit einem strahlenden Lächeln.
»Zweimal Cream Tea, oder?« Holly sah Tom fragend an, der gehorsam nickte. »Ist Jocelyn heute da? Ich hoffe, ich habe Glück«, fragte sie gespannt.
»Sie ist zu ihrem Sohn gefahren und kommt erst in ein paar Tagen wieder zurück. Sie sind Holly, nicht wahr?« Dem Mädchen ging plötzlich ein Licht auf.
Holly erstarrte, aber sie lächelte höflich und nickte. »Hat sie mir nicht irgendeine Nachricht hinterlassen?« Holly gab noch nicht auf.
»Ja, natürlich, entschuldigen Sie. Tante Joss lässt Ihnen ausrichten, dass es ihr leidtue, Tim zu verpassen. Sie meldet sich bei Ihnen, sobald sie wieder da ist.«
»Dann sind Sie also Patti«, sagte Holly, ohne den Fehler mit Toms Namen zu korrigieren. »Was macht das Studium?«
»Das ist eine komplizierte Geschichte, ich habe praktisch das Handtuch geworfen. Ich werde zwar wohl noch meinen Abschluss machen müssen, aber ich glaube nicht, dass es das Richtige für mich ist. Ich versuche gerade, meine Mutter zu überreden, dass ich hier arbeiten darf. Dann kann ich in meiner Freizeit schreiben. Ich möchte lieber
freie Schriftstellerin werden, als einem Wisch hinterherzurennen, der mir sowieso keinen Job garantiert.«
»Sie sollten das Studium auf keinen Fall abbrechen«, mischte sich Tom ein.
»Entschuldigung, das ist mein Mann Tim, ich meine Tom«, schmunzelte Holly. Tom warf ihr einen vernichtenden Blick zu, doch Patti war schon rot bis über beide Ohren.
»Ich bin Journalist und weiß, wovon ich rede. Das ist kein Zuckerschlecken. Ein Examen wäre immerhin ein Türöffner, auch wenn es keine Garantie für einen Job ist. Sie würden es bereuen, wenn Sie jetzt alles hinwerfen, zumal Sie schon fast fertig sind. Wenn Sie den Wisch, wie Sie es nennen, mal in der Hand haben und einen Job suchen, kann ich mich für Sie verwenden und Kontakte anbahnen, versprochen.«
Patti erstarrte nahezu vor Ehrfurcht bei Toms Angebot und hing voller Begeisterung an seinen Lippen. Als sie am Tresen die Bestellung aufgab, beobachte Holly sie aus den Augenwinkeln. Mutter und Tochter unterhielten sich angeregt. »Du gefällst dir wohl in der Rolle des Schutzengels?« , wandte sie sich an Tom.
»Ich nehme Anfänger gerne unter meine Fittiche«, brüstete Tom sich.
»Auf deinen Reisen läufst du hoffentlich nicht jedem hübschen Mädchen hinterher und bietest ihm deine Dienste an.«
»Für mich gibt es nur dich«, sagte Tom und suchte in ihren
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