Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
legte sie beschwichtigend auf Jocelyns zitternde Hände. »Ich muss alles wissen. Schließlich muss ich einen Fünfjahresplan einhalten, nicht wahr? Wie kann ich Mutter sein, wenn ich nicht einmal lang genug lebe, um mein Kind auf den Arm zu nehmen?«
Holly gab sich Mühe, einen lockeren Ton anzuschlagen, um Jocelyn aufzumuntern, aber sie erreichte nur das Gegenteil. Jocelyn warf Holly einen verzweifelten Blick zu und schüttelte mutlos den Kopf. »Es tut mir so unendlich leid, Holly. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich die Monduhr zerstört oder wenigstens den Mechanismus. Es ist nicht gut, wenn der Mensch sich in die Zukunft einmischt, es ist nur eine Belastung.«
»Hör auf zu weinen, bitte«, beschwichtigte Holly, die entschlossen war, sich von Jocelyns Verzweiflung nicht verunsichern zu lassen. »Wir sind ja jetzt zu zweit. Geteiltes Leid ist halbes Leid.«
»Ach Holly, nichts lieber als das. Ich will dir nur zu gerne helfen,« sagte Jocelyn und schluchzte heftig.
Holly stand auf und eilte zu Jocelyn, die in sich zusammengesunken war. Sie nahm sie besorgt in die Arme, weil sie einen Schwächeanfall oder Schlimmeres befürchtete.
»Beruhige dich, Jocelyn. Ich weiß, was du sagen willst. Nach meiner Berechnung müsste Libby Ende Dezember gezeugt werden, es bleiben mir also noch ein paar Monate, um mir mit deiner Hilfe klar darüber zu werden, wie ich mich verhalten soll.«
Holly gab sich gelassener, als sie war. Sie musste die Antwort wissen, am liebsten auf der Stelle, aber sie konnte Jocelyn unmöglich länger quälen, jedenfalls nicht mehr heute. Sie hatte mit ihren Worten erreicht, was sie wollte. Jocelyns Schluchzen verebbte, und die Spannung fiel langsam von ihr ab.
»Wenn ich dich richtig verstehe, hast du Tom noch nichts gesagt?«
»Ich konnte bisher nichts sagen, weil mir das Ganze selber noch ein Rätsel ist, und ich wollte ihn nicht beunruhigen. Ich glaube, ich sollte ihm auch jetzt nichts sagen, wenigstens nicht, solange er so viel unterwegs ist. Ich muss erst noch mehr darüber herausfinden.«
»Wenigstens kommt er bald nach Hause«, meinte Jocelyn. »Du genießt einfach die Zeit mit Tom, und ich grabe inzwischen das Tagebuch aus. Ich glaube, es steckt in einem von den Kartons, die ich bei meiner Schwester deponiert habe, meine Wohnung ist zu klein, weißt du. Lisa wohnt jetzt in Beatrices Haus, sie kann mir bei der Suche helfen.«
»Und dann?«
»Und dann reden wir darüber, versprochen. Und nächstes Mal bekomme ich auch keine weichen Knie. Entschuldige, Holly, dass ich dich enttäuscht habe. Ich dachte, ich wäre aus härterem Holz geschnitzt.«
»Du hast mich nicht enttäuscht, du bist die tapferste Frau, die ich kenne«, lächelte Holly. »Und wo ich dich jetzt an meiner Seite weiß, ist die Sache schon viel weniger beängstigend.«
»Das ist schön. Versprich mir nur, dass du in der Zwischenzeit nichts in der Sache unternimmst.«
»Versprochen«, strahlte Holly. »Etwas Wichtiges sowieso nicht. Aber eins würde ich doch gerne aus der Welt schaffen.« Holly griff nach einer Tüte neben dem Tisch, aus der sie einen rosa Teddybär zog. »Könntest du das hier dem nächsten Wohltätigkeitsbasar vermachen? Es darf nur nicht an ein Kind unter zwei Jahren geraten. Ich übergebe es dir zu treuen Händen.«
»Können wir nicht zu Hause bleiben?«, brummte Tom. »Mehr als das hier brauchen wir doch nicht.«
Tom und Holly standen mitten in ihrem neuen Wintergarten. Die Wände waren frisch verputzt. Holly stand mit bloßen Füßen auf dem kühlen, harten Beton und lächelte selig. Toms Stimme hallte in dem kahlen Raum und überdeckte das morgendliche Vogelgezwitscher. Es roch herrlich nach Staub und abgestandener Sommerluft. Holly war entschlossen, jede Minute voll und ganz zu genießen. Vor allem ihren Ehemann, der hinter ihr stand und seine nackten Arme um ihre Taille gelegt hatte.
»Du riechst verschwitzt«, sagte sie.
»Hart verdienter Schweiß«, meinte Tom und küsste ihren Nacken.
»Hab ich mich beschwert?«, flüsterte sie. »Aber wir müssen trotzdem mal raus aus dem Haus. Du hast einwandfrei bewiesen, dass du deinen Jetlag überstanden hast.«
»Einwandfrei. Du sagst es.«
»Ja, es war wunderschön«, bestätigte Holly. »Aber wir wohnen schon beinahe ein halbes Jahr in diesem Dorf, und du kennst so gut wie niemanden hier.«
»Wie gesagt, alles, was ich brauche, kann ich von hier aus sehen, auch die Leute.«
»Ich will mir einen Termin beim Arzt holen«, erklärte
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