Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
Fenster sah.
»Was ist geschehen?«, fragte Holly.
»Ich war entsetzt, als Harry die Uhr mitten in den Garten knallte. Genau das hatte er beabsichtigt. Der Garten
war mein Refugium, das Einzige in meinem Leben, was mir gehörte, und das wollte er auch noch zerstören.«
»Warum bist du bei ihm geblieben?«
»Ich war unglücklich, hatte keinerlei Ausbildung und überhaupt kein Selbstbewusstsein. Das hatte Harry nach all den Jahren gründlich untergraben. Ich hatte einfach nicht den Mut, mich mit Paul allein durchzuschlagen.«
»Und die Monduhr hat dir gezeigt, dass du es kannst?«
»Nein, die Monduhr hat mir gezeigt, was passiert, wenn ich es nicht getan hätte.« Jocelyn stockte. Sie zitterte vor Angst. »Um es kurz zu machen, ich sah eine Zukunft, in der ich Harrys Grausamkeiten nicht länger ertragen konnte. Ich habe mir das Leben genommen, Holly, was absolut egoistisch von mir war, weil Paul von nun an zu Harrys Zielscheibe für Hohn und Demütigungen wurde.«
Holly spürte, wie ihr ein Stein vom Herzen fiel, trotz der Ungeheuerlichkeit von Jocelyns Geschichte, einer Geschichte, die sich hier in ebendiesem Haus abgespielt hatte. »Man kann also die Zukunft ändern, die einem die Monduhr gezeigt hat?« Holly merkte, dass sie sich wiederholte, aber sie klammerte sich an den Hoffnungsschimmer, der sich plötzlich aufgetan hatte.
»Es ist nicht einfach, und es hat seinen Preis.«
Holly schüttelte den Kopf und schlug Jocelyns Warnung in den Wind. »Ich würde alles tun, um das, was ich gesehen habe, abzuwenden. In meiner Vision war ich hier im Haus und musste mit ansehen, wie Tom vor Trauer fast zusammengebrochen ist. Das Schlimmste war, dass er mich nicht sehen konnte, wenn ich direkt vor ihm stand. Es läuft mir jetzt noch kalt über den Rücken, wenn
ich daran denke, wie er durch mich hindurchgesehen hat.«
»Siehst du. Der Schlüssel ist die Reflexion, erinnerst du dich? Das ist das Prinzip, nach dem die Monduhr funktioniert. Das Sonnenlicht wird vom Mond reflektiert, und dieses gespiegelte Licht wird von der Monduhr in die Zukunft reflektiert. Du bist auch nur eine Reflexion, du bist nicht wirklich dort.«
»Das erklärt, warum Tom mich nicht sehen konnte. Aber ich verstehe immer noch nicht, wie das gehen soll, weil Libby mich nämlich ganz bestimmt gesehen hat.«
»Libby? Ist das dein Kind?«
»Oh, Jocelyn, wenn du wüsstest, wie hübsch sie ist! Aber eigentlich weißt du es, sie sieht aus wie das Baby in meiner Skulptur«, erklärte Holly voller Stolz.
Jocelyn lächelte. »Ja, dann muss sie wirklich hübsch sein. Holly, ich weiß auch nicht, warum sie dich sehen kann. Sogar Charles Hardmonton war sich nicht ganz im Klaren, wie die Uhr funktioniert.«
»Das verstehe ich nicht. Wer, wenn nicht er? Er hat doch selber die Monduhr aus dem Mondstein gemacht!«
Jocelyn nickte. »Ich weiß nur so viel, dass die Wirkung am intensivsten ist, wenn der Mond genau über einem steht. Aber ich glaube fast, dass es keine Rolle spielt, wie präsent man letztlich in dem Zukunftsbild ist. Die Menschen sehen manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht. Besonders einem Erwachsenen fällt es schwer, etwas wahrzunehmen, was es eigentlich nicht geben dürfte. Kinder sind da anders.«
»Hat Paul dich gesehen?«
Jocelyn schüttelte den Kopf. »Er war schon älter, und er schäumte vor Wut.«
»Weil du ihn verlassen hast?«
Diesmal unterdrückte Jocelyn ein Seufzen. »Er hasste mich zu Recht, auch heute noch.«
»Warum sollte er dich heute noch hassen? Du warst doch seine Rettung, oder?«
»Das ist eine lange Geschichte. Du weißt ja längst noch nicht alles über die Monduhr.« Jocelyn ließ ihren Tränen freien Lauf.
Jetzt war es an Holly, Jocelyn zu trösten, die Rollen waren plötzlich vertauscht. Holly holte ein Papiertaschentuch aus dem Schrank. »Also dann«, meinte sie. »Ich höre. Erzähl mir die ganze Geschichte. Ich muss wissen, was ich tun kann, um das, was passieren soll, abzuwenden.«
»Es ist so viel, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll«, murmelte Jocelyn. Sie starrte auf ihr Taschentuch, das sie zwischen ihren zittrigen Fingern zerknüllte. »Es gibt da dieses Tagebuch. Kurz nachdem Harry die Monduhr gekauft hatte, bin ich darauf gestoßen. Alles Wissenswerte über die Uhr ist dort verzeichnet. Seit fast dreißig Jahren habe ich es nicht mehr in die Hand genommen. Nachdem ich hier ausgezogen bin, wollte ich mit der Monduhr nichts mehr zu tun haben.«
Diesmal streckte Holly die Hand aus und
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