Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
war, präsentierte er sich schwerlich als der Bilderbuchgarten, den man daraus machen konnte.
»Ich würde vorschlagen, wir machen einen Ausflug zu den Ruinen von Hardmonton Hall.«
»Wirklich? Ich wusste gar nicht, dass man da hinfahren kann«, meinte Holly überrascht. Zu ihrer Schande musste sie gestehen, dass sie die nahe gelegene Ruine noch nicht besichtigt hatte und nur die verwitterten Mauern kannte, die die Grenze des ehemaligen Anwesens markierten und bis zum Torhaus reichten. Aber auch das war nur noch ein
Bruchteil des früheren Besitzes, da die meisten Ländereien verkauft und als Ackerland oder anderweitig genutzt wurden. Nur das Gelände im unmittelbaren Umkreis der Ruine hatte man im ursprünglichen Zustand belassen.
»Wer redet denn von Hinfahren«, brummte Jocelyn. »Ihr jungen Leute wollt überall hingekarrt werden. Meine Gelenke laufen heute wie geschmiert, und wenn ich den Marsch bewältige, dürfte das für dich erst recht möglich sein.«
»Du willst mir die Stelle zeigen, wo die Monduhr früher stand, nicht wahr?« Holly wurde schon bei der bloßen Erwähnung des Wortes flau im Magen.
»Ein passender Ort, um über das Für und Wider von Zeitreisen zu diskutieren, wie ich finde«, plapperte Jocelyn munter, aber Holly hatte das Gefühl, dass Jocelyn sich selber Mut machen wollte.
»Also, was brauchen wir noch?« Holly fing an, kopflos die Küchenschränke aufzureißen. »Eine Kanne Tee ist schon fertig. Irgendwo muss doch eine Thermosflasche sein. Hast du was zu essen mit? Ich habe noch ein paar Kleinigkeiten im Kühlschrank. Was ist mit Besteck? Hast du Besteck dabei?« Holly holte nach jedem Satz tief Luft, um der Panik Herr zu werden.
»Ich habe eine Thermosflasche«, beschwichtigte Jocelyn. »Und genug zu essen, um eine ganze Armee zu versorgen.« Holly wollte noch etwas sagen, doch Jocelyn schnitt ihr das Wort ab. »Und eine Decke und alles, was man sonst noch braucht, habe ich auch dabei.«
»Sicher?«, brachte Holly kleinlaut heraus.
Jocelyn hielt Hollys zitternde Hände fest. »Wir rüsten
uns ja nicht für eine Weltreise«, sagte sie. »Wir unterhalten uns nur, weiter nichts. Und nur solange, wie es uns guttut.«
»Soll ich mich noch umziehen?«
Jocelyn seufzte. »Das passt schon so.«
»Einen Schirm holen?«
Jocelyn zog eine Augenbraue hoch, was jede weitere Verzögerungstaktik im Keim erstickte.
»Jetzt hör auf, dir ständig irgendwelche Sorgen zu machen, ja? Das Leben steckt immer voller Überraschungen«, ermunterte sie Holly.
Schweigend machten sich die beiden auf den Weg. Sie folgten dem überwucherten Pfad, der einmal eine prachtvolle Zufahrt zum Herrenhaus gewesen und nach Jahren des Verfalls und der Vernachlässigung kaum mehr zu sehen war. Nur das gelegentliche Knacken der Zweige unter ihren Füßen unterbrach die Stille – und das Vogelgezwitscher, das trotz der wachsenden Anspannung der beiden Frauen dem Morgen etwas Heiteres verlieh.
Die alten Bäume, die einst die Zufahrt zum Herrenhaus gesäumt hatten, ragten hoch auf und wurden immer dichter, je weiter sich Holly und Jocelyn dem Ziel ihrer Wallfahrt näherten. Die Septembersonne, die hier und da durch die Baumkronen blitzte, tauchte den Weg in ein diffuses Licht. Holly bemühte sich, dem Spiel von Licht und Schatten und dem Kontrast von verrottender Vegetation unten am Boden und dem grünen Leuchten oben einen Reiz abzugewinnen. Die Blätter ließen den Herbst erst ahnen, aber als ein Windstoß durch die Baumkronen fuhr, meinte Holly ihr Laubrascheln schon hören zu können.
»Wie war es bei Paul?«, erkundigte sie sich, um das Schweigen zu unterbrechen.
»Hätte schlimmer sein können.«
»Das klingt aber nicht gut«, hakte Holly nach.
Jocelyn seufzte. »Paul hat mich viele Jahre nicht an seinem Leben teilhaben lassen, eigentlich seit dem Tod seines Vaters«, gestand sie. »Er war noch fast ein Kind, als ich Harry verlassen habe, er hatte keine Ahnung, was ich durchgemacht hatte, und wusste vor allem nicht, was die Zukunft für uns vorgesehen hatte. Ich wollte ihn um jeden Preis vor Harrys Bösartigkeit schützen, und merkwürdigerweise wollte auch Harry sich vor seinem Sohn nicht von seiner schlechten Seite zeigen. Harry war zu echter Liebe nicht fähig, aber er konnte fabelhaft den liebenden Vater spielen. Es machte ihm Spaß, Pauls Vertrauen zu gewinnen und ihn gegen mich aufzuhetzen, so dass Paul nie wirklich verstanden hat, warum ich Harry verlassen habe.«
»Er macht dich für Harrys
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