Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
nicht, allein aufzustehen.«
Holly musste lächeln, als sie sich aufrappelte und Jocelyn die Hände reichte, um sie hochzuziehen. »Ich kann dich hier ja schlecht sitzen lassen, außerdem weiß ich nicht, wie ich allein zurückfinden soll.« Das war Hollys Art, um Hilfe zu bitten. Jocelyn riss sich zusammen, kam auf die Füße und umarmte Holly. »Ich lasse dich nicht allein. Wir beide stehen das zusammen durch.«
Der Heimweg war mühsamer und dunkler. Das sanfte Dämmerlicht hatte sich in eine düstere Kühle verwandelt. Auf dem Hinweg hatte Holly zwischen Hoffen und Bangen geschwankt, aber für den Rückweg blieben nur Angst und Leere.
»Gibt es nicht vielleicht eine Ausnahme von der Regel?«, fragte Holly plötzlich, als sie sich dem Torhaus näherten. Bisher hatten sie geschwiegen, von Jocelyns gelegentlichen Verwünschungen abgesehen, wenn ihre Gelenke sie im Stich ließen.
»Die Monduhr lässt nicht mit sich handeln«, warnte Jocelyn. Sie blieb stehen und drehte sich zu Holly um, die nicht wusste, ob die alte Frau vor Schmerz das Gesicht verzog oder aus Furcht, dass Holly sich um ihre Zukunft bringen könnte.
»Und wozu soll sie dann gut sein?«, brauste Holly auf. »Warum hast du die Monduhr nicht zerstört oder wenigstens den Mechanismus? Damit eine dumme Gans wie ich darüber stolpert und ihn wieder zusammenbaut?«
Neue Schuld lastete auf Jocelyns Schultern, und sie wirkte plötzlich alt und gebrechlich. »Ich weiß es nicht, Holly. Ich weiß es wirklich nicht. Mir ging es wahrscheinlich
ähnlich wie Mr Andrews. Ich dachte, dass ich kein Recht hätte, die Monduhr zu zerstören. Der Holzkasten war in einer Wand in Harrys Werkstatt versteckt, absolut sicher, wie ich annahm. Harry wäre nie auf die Idee gekommen, dort danach zu suchen. Und vergiss nicht, die Aufzeichnungen habe ich behalten. Wie konnte ich ahnen, dass jemand ohne Anleitung herausfindet, wie man die Uhr in Gang setzt?«
»Die Aufzeichnungen habe ich ja ganz vergessen«, flüsterte Holly, deren Ärger über Jocelyn so schnell verflogen war, wie er gekommen war. Sie war ungerecht gewesen, außerdem konnte sie schwerlich leugnen, dass sie nur mithilfe der Monduhr verhindern konnte, bei der Geburt zu sterben.
Sie reichte Jocelyn den Arm, um den Heimweg fortzusetzen. »Was hat es mit diesem Tagebuch auf sich?«
»Die Aufzeichnungen stammen von Edward Hardmonton, der dort mit erschütternder Genauigkeit berichtet, wie er die Monduhr wieder aufgestellt hat und was für Entscheidungen er danach treffen musste. Er wusste, dass ihn eine Tragödie erwartete, aber wie sollte er das drohende Unheil abwenden?«
»Wie der Regentropfen am Fenster «, zitierte Holly.
»Das kannst du ja perfekt auswendig.«
»Das Gedicht werde ich nicht so schnell vergessen«, seufzte Holly. »Es ist mein einziger Rettungsanker in diesem Alptraum.«
»Nicht der einzige. Ich bin auch noch da, um dir zu helfen, es sei denn, du willst Tom davon erzählen.«
Jetzt hatte Holly Gewissensbisse. Sie war im Begriff, eine Entscheidung über Leben und Tod zu fällen, und
Tom hatte das Recht, ein Wort mitzureden. »Ich muss selber erst wissen, was ich will. Dann werde ich mit Tom sprechen, irgendwann.«
»Nur nicht heute«, ergänzte Jocelyn.
»Oder morgen. Vielleicht auch erst, wenn alles vorbei ist und es nichts mehr zu entscheiden gibt.«
Die Bäume wurden lichter, und Holly merkte, wie Jocelyn aufatmete, als das Torhaus in Sicht kam.
»Ich fahr dich nach Hause.«
»Ich hab dir schon mal gesagt, dass ich mich von diesen alten Gelenken nicht unterkriegen lasse«, funkelte Jocelyn sie an.
»Dann begleite ich dich wenigstens nach Hause, keine Widerrede.«
»Wer spricht denn von Widerrede?«, lächelte Jocelyn matt.
Jocelyn war froh, als sie endlich die Teestube erreicht hatten, aber sie hatte keineswegs die Absicht, sich von Holly zu verabschieden. Sie wollte Holly mit ihren Grübeleien über die Zukunft nicht allein lassen. Beide machten sich keine Illusionen darüber, dass es nur eine Lösung gab, um Hollys Leben zu retten, und das war eine Zukunft ohne Libby. Es würde keine Libby geben, zumindest nicht jetzt, vielleicht niemals, aber Jocelyn konnte Holly ansehen, wie traurig sie diese Entscheidung machte.
»Ich kann jederzeit meine Siebensachen packen und zu dir ziehen, solange Tom weg ist«, bot Jocelyn ihr an. Sie hatte das Tagebuch aus dem Korb geholt, zögerte aber, es Holly zu überreichen.
»Keine Sorge, ich komme schon allein zurecht.« Holly riss
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