Das Geheimnis der Moorleiche
die
einzigen Nachbarn waren gerade in den Urlaub abgebraust. Das Haus sah aus, als
steckte es voller Geheimnisse. Und womöglich voller Antworten auf ihre Fragen.
Sie mussten nur den richtigen Zeitpunkt finden, an dem sie alle vier Ausgang
hatten und niemand auf sie wartete. Am besten: noch heute.
»Wir warten, bis es dunkel
wird«, entschied Karl.
Tim sah auf die Uhr. Es würde
erst nach neun dunkel werden und um halb zehn musste er schon wieder im
Internat sein. Die Internatsregeln betrafen heute nur ihn — Klößchen wohnte am
Wochenende bei seinen Eltern, wie auch Karl und Gaby. Doch auch deren Eltern
würden nicht erlauben, dass ihre Kinder nachts so lange unterwegs waren.
Klößchen verstand, worüber er nachdachte.
»Wir rufen im Internat an, dass
du bei mir übernachtest«, schlug er vor.
»Das müssen deine Eltern
bestätigen.«
»Machen die auch, und dann
beschließen wir spontan, dass wir zu Karl gehen.«
Karl nickte.
»Und dann sagt Karl, dass er
mit zu mir kommt. Und schon sind wir frei.«
Tim und Karl schlugen mit
Klößchen ein — es war abgemacht.
Gaby räusperte sich. »Wo tauche
ich in dieser Rechnung auf?«
»Gaby!« Klößchen tat, als habe
er sie eben erst entdeckt.
»Ich kann ja schlecht sagen,
ich übernachte bei einem von euch.« Das einzige Mädchen in einer Bande zu sein,
nervte sie manchmal wirklich.
Klößchen überlegte. »Na,
dann... dann sagen wir eben, wir gehen alle ins Kino! Das erlauben deine Eltern
doch, oder?«
Gaby zuckte die Schultern.
»Normalerweise schon, aber so spät?«
»Ist wegen der Überlänge! 3D
und so!«, schlug Klößchen vor. »Wenn du den Film nicht siehst, kannst du nicht
mehr mitreden. Das muss deine Eltern doch überzeugen!«
Gaby lachte.
»Ich krieg das schon hin mit
meinen Eltern. Irgendwie.«
Gesagt, getan. Als Erstes
mussten Tim und Klößchen zu Klößchens Eltern fahren. In ihrer luxuriösen Villa
mit Alarmanlage, Videoüberwachung und dem größten Flachbildschirm, der je in
einem Wohnzimmer gestanden hat, war immer ein Bett für Tim frei. Die
Luxusausstattung machte das Haus nicht unbedingt gemütlicher, und Klößchen war
das ganze Brimborium immer ein wenig peinlich, vor allem vor Tim, dessen
Herkunft so viel bodenständiger war — doch er wusste, dass Tim den Reichtum der
Familie Sauerlich gelassen nahm. Klößchens Mutter freute sich über Tims Besuch
und bestätigte dem Aufsicht habenden Erzieher im Internat bereitwillig, dass Tim
bei Sauerlichs übernachten würde. In der Zwischenzeit rief Gaby zu Hause an,
und machte das mit dem Kinobesuch klar.
Ganz einfach war es nicht — sie
musste all ihre Überredungskunst einsetzen, denn normalerweise erwarteten sie
ihre Eltern am Wochenende spätestens um neun zurück. Doch die Tatsache, dass
sie zu viert waren, und dass Gaby hoch und heilig versprach, um zehn zurück zu
sein, ließ ihren Vater einlenken.
Karl wartete indes bei sich zu
Hause. Bei ihm waren sie verabredet, um ihn zu dem angeblichen Kinobesuch
abzuholen.
Als Gaby, Tim und Klößchen vor
Karls Haustür in einer Gegend mit alten Einfamilienhäusern standen und
klingelten, saß der in seinem Zimmer am Computer. Sein Vater, Professor
Vierstein, öffnete und rief nach ihm.
»Karl, hier sind deine
Freunde!«
»Sollen hochkommen!«, rief Karl
von oben.
Herr Professor Vierstein winkte
sie freundlich herein und schloss die Tür hinter ihnen.
»Wir wollen ins Kino«, nutzte
Klößchen die Gelegenheit, und drehte sich noch mal auf der Treppe zu ihm um.
»Darf Karl mitkommen?«
Karls Vater wirkte zerstreut.
Vermutlich korrigierte er schon seit Stunden die Hausarbeiten seiner
Physikstudenten.
»Ja, sicher — wenn er mit den
Hausaufgaben fertig ist... Viel Spaß!«
Damit zog er sich wieder in
sein Arbeitszimmer zurück. Klößchen war beeindruckt — das ging einfacher, als
er gedacht hatte. »Kann Karl bei mir übernachten?«, legte er deshalb schnell
nach und lauschte in den Flur im Erdgeschoss.
»Wenn deine Eltern
einverstanden sind!«, rief Karls Vater aus dem Büro.
»Sind sie! Danke!« Klößchen
triumphierte und tänzelte die Treppe zu Karl hinauf.
Karls Zimmer glich einer
Kreuzung aus wissenschaftlicher Bibliothek und chemischem Labor, durchmischt
mit Manga-Postern, herumliegenden Socken und vollgekrümelten Tellern. Es war
auf jeden Fall ziemlich unordentlich.
Karl surfte gerade im Internet,
als seine Freunde durch die Tür kamen.
»Hausaufgaben«, scherzten die
anderen.
»Los, wir gehen ins
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