Das Geheimnis der Moorleiche
Kino!«,
rief Klößchen extra laut, damit Karls Vater es hören konnte. Doch Karl war
nicht vom Computer wegzubekommen.
»Nur noch ganz kurz. Ich muss
euch was zeigen...«
Die Freunde scharten sich
hinter seinem großen Bildschirm. »Runen — Schriftzeichen der Germanen«, stand
auf der Seite, die Karl aufrief.
»Was denn«, zog Gaby ihn auf,
»trauerst du immer noch dem Germanenkönig nach?«
»Es geht hier um germanische
Schriftzeichen, Runen«, erklärte Karl. »Jetzt seht euch mal diese hier an.« Er
klickte auf das Wort »Tyrs-Rune«.
Auf dem Bildschirm erschien ein
nach oben zeigender Pfeil.
»Ein Pfeil«, sagte Klößchen.
»Nein«, widersprach Karl. »Eine
Rune.«
Einen Moment herrschte Stille.
»Wie die Zeichen, die die Typen
am See auf ihren Pullis hatten...«, murmelte Gaby nachdenklich.
»Du meinst«, fuhr Tim den
Gedanken fort, »die Typen vom See hatten keinen Pfeil auf ihren Sweatshirts,
sondern ein germanisches Schriftzeichen?«
Er nahm Karl die Maus aus der
Hand und sah sich die Sache genauer an. Karl nickte.
»Ich bin eigentlich schon viel
früher auf diese Runensache gestoßen. Als ich noch dachte, die Moorleiche
stammt aus der Germanenzeit, und alles über die Germanen wissen wollte. Aber
ich hab mir nichts dabei gedacht. Erst vorhin ist es mir wieder eingefallen —
die Pullis mit dem komischen Pfeil. Und jetzt diese Pfeilrune.«
»Was bedeutet sie denn?«,
fragte Klößchen.
»Es ist die Tyrs-Rune, sie
gehört zur germanischen Gottheit Tyr, auch Tiwaz genannt. Sie steht für Sieg
oder soll zum Sieg verhelfen.«
Gaby legte die Stirn in Falten.
»Das verstehe ich nicht. Was hat dieses Halbhirn von Jacky mit germanischen
Runen zu tun?«
Klößchen ließ sich auf Karls
Bett plumpsen. »Vielleicht ist er ja religiös und glaubt an diesen germanischen
Gott. Nee, Quatsch jetzt — aber ich hab mal gehört, es gibt Modemarken, die
solche germanischen Schriftzeichen benutzen. Teilweise sind die sogar verboten.«
»Warum?«, fragte Gaby erstaunt.
»Weiß ich auch nicht mehr. «
Karl horchte interessiert auf.
Er würde der Sache weiter nachgehen, so viel war sicher.
»Jetzt müssen wir aber los«,
mahnte Tim. »Sonst überlegt Karls Vater es sich doch noch anders mit dem Kino.«
Der Abend war warm. Auf den
Straßen und Plätzen herrschte lebhafter Trubel. Junge Menschen in Feierlaune
brachen auf, um sich am Samstagabend in der Stadt zu vergnügen. Sie steuerten
die Discos, Filmpaläste und Szene-Viertel an. Nur Tim, Karl, Klößchen und Gaby
verfolgten ein ganz anderes Ziel. Wobei — ein Vergnügen war dieser Ausflug auf
jeden Fall. Schließlich gingen sie ihrer Leidenschaft, Verbrecher zu jagen,
nach. Tim sah glücklich von einem seiner Freunde zum anderen. Gaby trat so
unternehmungslustig in die Pedale, als fahre sie gerade die »Tour de France«.
Nicht, weil sie angeben wollte, sondern aus purer Abenteuerlust. Klößchen
strampelte sich ab, beobachtete dabei aber wach das Geschehen um sie herum,
lachte über Passanten oder machte witzige Kommentare. Karl fuhr wie ein
Navigations-System vorneweg, entschied, welchen Weg sie nahmen — den Kopf
voller Gedanken, doch das Ziel klar vor Augen.
Gaby bemerkte Tims Blick und
blinzelte ihm zu. Es gab für ihn keinen perfekteren Abend als diesen.
Um kurz vor neun kamen sie am
Haus der Schustmanns in Seental an. Der Himmel war bereits dunkelblau, nur über
dem Wäldchen sammelte sich noch das letzte Abendrot. Wie erwartet, brannte im
Nachbarhaus kein Licht. Die nächsten Häuser waren weit genug entfernt, um
unbeobachtet das Grundstück des verlassenen Hauses zu betreten.
Trotzdem nahmen TKKG zur
Sicherheit nicht den Weg durch das Gartentor, sondern kletterten über den Zaun
des rückwärtigen Gartens. Ihre Fahrräder hatten sie im Gebüsch versteckt.
Auf leisen Sohlen schlichen sie
um das baufällige Gebäude herum. Tim rüttelte an der Vordertür, doch wie sie
bereits vermutet hatten, war sie fest verschlossen. Die Kellerfenster waren
ihrer Erfahrung nach die besten Einstiegsmöglichkeiten — doch an diesem Haus
waren sie nicht nur von außen vergittert, sondern sogar von innen mit
Holzplatten verrammelt.
»Bleiben nur die Fenster im
Erdgeschoss«, flüsterte Tim etwas entmutigt.
»Hat irgendjemand an Werkzeug
gedacht?«, jammerte Klößchen beim Anblick der mit Brettern vernagelten Fenster.
Wie auf Kommando holte Karl
eine Zange und einen Hebel aus seiner Jacke. Klößchen pfiff durch die Zähne und
Tim strahlte — Karl
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