Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
gefolgt und hatte scharfe Auseinandersetzungen mitangehört. Der Magister drohte dem Mädchen, und Maria fürchtete sich zu Tode davor, von ihm ausgesetzt und verlassen zu werden. Abram hatte so seine Vermutungen, aber er wagte nicht, Maria darauf anzusprechen. Wenn er einen Fehler machte, war das vielleicht schlimmer als all die Nachstellungen des Herrn Martinus.
Die Reisenden durchquerten jetzt dichte Wälder zwischen Metz und Reims. Als sie in das Gebiet des Königs von Frankreich hineinkamen, stießen sie auf ganze Einheiten von Rittern und Fußsoldaten, die sich zum Heerzug gegen Richard Löwenherz sammelten. Sie waren schlechter Stimmung - so kurz nach dem Kreuzzug war kaum ein Bauer, selbst die Panzerreiter nicht, zu erneuten Kämpfen zu bewegen. Die kleine Pilgergruppe musste ständig auf der Hut sein.
Eines Abends entzündeten Leopold und Abram wie immer kurz vor Einbruch der Nacht die Feuer. Maria baute ihr Zelt auf, die beiden anderen Frauen schnitten Gemüse für einen Eintopf. Die Ritter versorgten die Pferde, und der Magister stritt sich lautstark mit Salomon. Der Wein wurde wieder mal knapp, und Herr Martinus wollte einen Umweg fahren, um die Vorräte zu ergänzen. Salomon dagegen meinte, dies habe Zeit bis Reims.
Die beiden argumentierten wortreich, als plötzlich eine Horde Banditen schreiend aus dem Wald stürmte und Anstalten machte, sich der Wagen und Pferde zu bemächtigen. Sie waren mit Schwertern und Speeren, mit Sensen und Hacken bewaffnet.
Zwei der Ritter und Salomon zogen direkt blank. Die anderen trugen ihre Waffen nicht bei sich. Abram und Leopold mussten die ersten Angreifer, sichtlich ausgemergelt und zerlumpt, mit bloßen Händen abwehren, aber der junge Jude kämpfte sich rasch zum Planwagen des »Baders« durch. Mit einer Handbewegung beförderte er sein Schwert unter dem Bock hervor und stellte sich den Gaunern ebenso mutig entgegen wie sein Onkel.
Gerlin und Martha waren zu erschrocken, um sich zu rühren. Die Angreifer, wie immer bei solchen Attacken, verschafften sich einen Vorteil, indem sie innerhalb kürzester Zeit ein Chaos anrichteten. Einer von ihnen galoppierte auf einem knochigen Pferd durch die Feuer, entzündete eine Fackel und legte Brand an Marias Zelt. Herr Martinus, der sich darin verkrochen hatte, floh schreiend mit brennender Tunika.
»Zum Wagen!«, rief Salomon Gerlin zu, die wie erstarrt dastand.
Er sah, dass Abram sein Schwert geholt hatte. Eben schlug er seinen ersten bewaffneten Gegner nieder, jetzt attackierte er die Männer, die versuchten, den Wagen zu entern. Unter dem Schutz von Salomons Klinge flüchteten sich die Frauen unter die Plane. Die beiden Juden und zwei der inzwischen ebenfalls voll bewaffneten Ritter bildeten einen Ring um den Wagen der Lauensteiner, Herr Berthold verteidigte den anderen mit den restlichen Rittern. Seine Männer waren schnell wieder auf dem Rücken ihrer Streithengste gewesen. Die Abwehr dieser Gauner schafften sie auch auf ungesattelten Pferden. Dazu hatten sie die Geistesgegenwart bewiesen, die Zugpferde und das Maultier loszumachen. Die galoppierten nun aufgeschreckt durch das Lager, waren von den Straßenräubern aber kaum einzufangen.
Innerhalb kürzester Zeit erwiesen sich die Ritter und Reisenden den Strauchdieben als überlegen. Zwar bildeten die Gauner eine Übermacht, aber kaum einer von ihnen wusste sein Schwert so gut zu führen, dass er Bertholds Männern, Salomon und Abram einen Zweikampf zu liefern vermochte. Die Ritter fällten ihre Angreifer wie Schnitter das Korn und setzten den Männern noch nach, als die ihr Heil schließlich nur noch in der Flucht suchten.
Salomon und Abram verzichteten auf eine Verfolgung. Der Medikus rieb aufatmend das Blut von der Schneide seiner Klinge, während Abram sich den Schaden besah. Der war gering. Zwar waren ein paar Töpfe und Schalen zu Bruch gegangen, und Marias Zelt war vernichtet, aber gestohlen war nichts. Gerlin und Martha kletterten aus dem Wagen, desgleichen der nur leicht mitgenommene Herr Martinus, der sich ebenfalls unter die Plane geflüchtet hatte, nachdem er seine brennende Tunika hatte abwerfen können. Leopold kroch unter dem anderen Wagen hervor und machte sich nützlich, indem er die noch lodernden Reste von Marias Zelt löschte.
»Aber wo ist Maria?«, fragte Abram.
Gerlin sah sich suchend um.
Abram wurde von Panik ergriffen. »Sie ist weg!«, rief der junge Jude fassungslos. »Sie müssen ... sie müssen sie entführt haben!«
Gerlin wollte
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