Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
nicht gleich das Schlimmste annehmen, aber die eben zurückkehrenden Ritter hatten das Mädchen auch nicht gesehen.
»Sie haben sie mitgenommen! Diese Mistkerle! Diese ...« Abram sprach zu niemandem im Besonderen, er brüllte seinen Zorn heraus - und griff sich dann das nächstbeste Reittier, die Maultierstute Sirene. Die Schimmelstute war sanft, Abram machte sich nicht die Mühe, sie zu zäumen oder gar zu satteln, sondern schlang nur den Anbindestrick, den die Ritter mit einem Schwertstreich durchschlagen hatten, als Zügel um ihren Hals. Dann schwang er sich auf ihren Rücken und trieb sie an. Sirene setzte sich gehorsam in Galopp, aber Abram musste sich erst orientieren. Wohin waren die Männer geflohen? Sie mussten ein Lager in der Gegend haben. Gab es einen Weg dorthin? Schließlich hatten die Kerle ja Anstalten gemacht, die Wagen mit Muskelkraft fortzubewegen. Das ging nicht, wenn man den dichten Wald durchqueren musste.
Abram folgte zunächst den Spuren der Angreifer, die leicht zu verfolgen waren. Eine knappe Pfeilwurflänge weiter fand er dann auch die ersten Leichen der flüchtigen Diebe - und eine Blutspur. Einer der Kerle schien noch genug Leben in sich gehabt zu haben, um sich weiterzuschleppen. Abram folgte der Spur jetzt im Schritt, obwohl er es vor Aufregung kaum aushielt. Es wäre nichts gewonnen, wenn er die Fährte verlor. Kurze Zeit später endete sie leider ohnehin - noch ein Mann, der seinen Wunden erlegen war. Er hatte sich bis auf einen Weg geschleppt. Wenn man nur noch hätte erkennen können, in welche Richtung er ihm hatte folgen wollen ...
Abram hielt die Stute unschlüssig an - und hörte Stimmen aus Richtung Norden. Männer schienen sich zu streiten, ein Mädchen schrie. Abrams Herz klopfte rasend, er zitterte vor Anspannung, empfand aber auch Erleichterung. Zumindest schien Maria am Leben zu sein. Und ein so schönes Mädchen würden die Gauner auch nicht umbringen - das ließ sich zu leicht zu Geld machen. Abram bereute jetzt, den Dieben allein nachgesetzt zu sein. Schon auf diese Entfernung unterschied er drei Männerstimmen, und es mochten noch sehr viel mehr der Gauner am Leben sein. Wenn Abram es sich recht überlegte, waren die weniger gut bewaffneten sehr schnell geflohen - wohl in ihr Lager. Einzeln alle keine schweren Gegner, aber gemeinsam ... Abram trug nicht einmal eine Rüstung, und Sirene war kein Streitross.
Immerhin bewegte sich die zierliche Stute leichtfüßig und ohne besonderen Lärm zu machen näher an das Räuberlager heran. Auch die jetzt endgültig einbrechende Dunkelheit kam Abram zugute. Die Nacht bot ihm Deckung, als er Einblick in die Lichtung gewann, in deren Mitte die Diebe ein Feuer entzündet hatten. Auch ein paar Hütten standen darum herum - zumindest ein paar der armen Teufel hatten Frauen und Kinder bei sich.
Abram empfand fast etwas wie Mitleid mit den ursprünglich sicher ehrbaren Bauern - aber er registrierte auch kühl die schlechte Organisation der Bande. Die Diebe hatten nicht mal Wachen aufgestellt, mit drei oder vier Reitern hätte man ihre jämmerliche Siedlung mit Leichtigkeit überrumpeln und alle Bewohner niedermachen können. Obendrein schien es keinen Anführer zu geben - oder der war im Gefecht mit den Pilgern und Rittern zu Tode gekommen.
Es herrschte Aufruhr, unter den Gaunern und ihren Familien war ein heftiger Streit im Gange. Erleichtert entdeckte Abram Maria. Offensichtlich ging es um sie. Zwei der jüngeren Männer hatten das Mädchen in der Nähe des Feuers zu Boden geworfen und ihr den Schleier abgenommen. Einer der Kerle machte jetzt Anstalten, ihr auch noch das Kleid vom Leibe zu reißen. Das Mädchen wehrte sich heftig, aber auch ein paar besonnenere Männer und zwei zänkische Frauen versuchten, die Vergewaltigung zu verhindern.
Abram konnte die Worte nicht verstehen, ahnte jedoch, worum es ging. Die Männer wussten nichts von Marias besonderer Beziehung zu Martinus - das Mädchen konnte leicht noch unberührt und damit unschätzbar wertvoll sein. Sicher gab es in einem der nächstgrößeren Orte Sklavenhändler, und eine Schönheit wie Maria vermochten diese bis in die sarazenischen oder maurischen Lande zu verschleppen.
Die Frauen und verständigeren Männer der Gruppe drängten auf Flucht. Sie mussten annehmen, dass die Pilger Maria suchen würden, und stimmten dafür, mit ihrem Fang möglichst tief in den Wald zu flüchten.
Die beiden jüngeren Gauner mochten davon jedoch nichts annehmen. Sie waren berauscht
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