Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Guinevere?«
Salomon und Abram ließen das unkommentiert. Es war sicher besser, so zu tun, als sei ihnen die Artus-Dichtung gar nicht geläufig. Aber Bertholds Anmerkungen waren gefährlich. Und nun ließ sich auch noch Abram auf die riskante Liebelei mit Magister Martinus' Hure ein.
»Wie soll das schon weitergehen?«, fragte Abram gelassen zurück und fügte mit seinem charakteristischen Grinsen triumphierend hinzu: »Ich werde sie natürlich freien.«
Salomon zog so abrupt die Zügel an, dass die Pferde erschrocken die Beine in den Boden rammten und stehen blieben. Gerlin nahm sie ihm kopfschüttelnd aus der Hand und schnalzte den Tieren begütigend zu.
»Das kannst du nicht! Abram ...«
»Konstantin«, berichtigte Gerlin.
»Abram, wir haben dir vieles nachgesehen. Dein Vater hat so manche schlaflose Nacht deinetwegen verbracht, aber er war immer geduldig. Wir haben immer gehofft, aus dir würde noch einmal ... na ja, wir hofften, dass du ruhiger würdest, eine Frau fändest ...«
Abram grinste noch breiter. »Habe ich doch!«, meinte er vergnügt. »Mein Vater wird entzückt sein ... wobei ich natürlich davon ausgehe, dass du ihm ein paar kleine unwesentliche Einzelheiten aus ihrem Vorleben verschweigst ...«
»Wie zum Beispiel, dass sie Christin ist?«, fragte Salomon scharf.
Abrams Gesicht wurde ernst. »Also wirklich, Onkel Fritz ...« Er kicherte. »Da nennst du dich einen Gelehrten und weist ein unbestritten großes Wissen auf. Aber das Offensichtliche übersiehst du. Christin! Wie kommst du nur auf diesen Gedanken? Mein Vater wird natürlich entzückt sein, Miriam von Wien kennenzulernen, Tochter von Schlom, Münzmeister des Herzogs Friedrich von Österreich!«
»Sie ist Jüdin?« Salomon konnte die Lautstärke seines Ausrufs gerade noch dämpfen.
Abram nickte. »Natürlich. Was sollte sie denn sonst sein? Denk doch mal nach ... Onkel Fritz!« Erneut musste er grinsen.
»Abram!« Salomons Stimme klang drohend.
Gerlin legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm und wunderte sich selbst über ihre selbstverständliche Geste.
»Und sieh sie vor allen Dingen mal an«, setzte Abram ein weiteres Mal an, diesmal wieder ernst und mit deutlich gedämpfterer Stimme. »Sie stammt offensichtlich aus reichem Haus ... aber aus keiner Burg. Ein Burgfräulein könnte die Sterne noch so sehr lieben. Es würde kaum mit einem Mann wie dem Magister in Berührung kommen. Wenn es doch so gewesen wäre, hätte der Kerl Maria niemals ermutigt, mit ihm zu fliehen. Ihr Vater hätte ihr schließlich ein Aufgebot an Rittern hinterhergeschickt und ihren Entführer gevierteilt. Du glaubst doch nicht, dass unser feiger kleiner Herr Martinus das riskiert hätte?«
Gerlin nickte. Abram hatte Recht. Sie hätten selbst darauf kommen können, dass Maria - Miriam - aus einem Stadthaus geflohen sein musste.
»Es kam also nur eine Kaufmannsfamilie infrage«, führte Abram weiter aus. »Dafür sprach auch das Astrolabium, das sie mit sich führt. Das kauft man schließlich nicht auf dem Wochenmarkt. Dazu ist Miriam hochgebildet - weit mehr als die meisten Kinder christlicher Kaufleute. Bei denen lernen zwar auch die Mädchen lesen und schreiben, aber Fremdsprachen ... Sternkunde ... schon um da die wichtigsten Bücher lesen zu können, muss man Latein können. Miriam versteht sogar etwas Arabisch - das kann dir eigentlich auch kaum entgangen sein, Onkel ...« Abram verkniff sich den »Fritz«.
Salomon schwieg verstockt, aber Gerlin erschloss sich die Logik der Geschichte immer deutlicher. »Und aus einem jüdischen Haus eines jüdischen Viertels kam das Mädchen auch leichter ungeschoren heraus«, überlegte sie, »jedenfalls in einer Stadt, in der es nachts nicht eingeschlossen wird. Wobei der gute Meister Martinus kaum ein Risiko einging, indem er sie versteckte. Was konnten ihm die Juden schon tun? Die dürfen ja nicht mal ein Schwert führen.«
Salomon nickte bitter.
»Wobei der Kerl im Folgenden nichts ausließ, um die Kleine zu demütigen!«, erregte sich Gerlin weiter. »Allein dieser Name! Maria und Martha - die Schöne und die Magd aus der Bibel! Ein Schlag ins Gesicht beider Frauen. Kein Wunder, dass Martha so gereizt war!« In Gerlin regte sich fast so etwas wie Bewunderung. Wie sehr musste sich die sicher stolze Tochter des jüdischen Münzmeisters nach Wissen gesehnt haben, um nicht nur Martinus' Annäherungen, sondern auch seine Schmähungen auf sich zu nehmen! »Kompliment, Meister Abram, mir wäre das alles
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