Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Wickelkindern umgeht. Aber wenn du Ärger machst ... Weiber gibt's genug, die so ein Balg versorgen können ...«
Miriam dachte darüber nach, trotzdem zu kämpfen. Wenn sie schrie, kratzte und nach dem Ritter trat, würden die anderen Reiter und Fußgänger aufmerksam werden. Die aus dem Wald zur Festung Fréteval hochführende Straße war an diesem Abend äußerst belebt. Fuhrwerke mit Wein und Nahrung bewegten sich in Richtung Heerlager, und Ritter, die Abwechslung von der Gesellschaft der immer gleichen Freudenmädchen im Tross des Heeres suchten, strebten der Stadt zu. Vielleicht würde sich einer davon erbarmen und ihren Entführer wenigstens auf die Frau hin ansprechen, die er da gegen ihren Willen mit sich führte. Wenn Miriam dann ihre Geschichte erzählte, ihnen das Kind zeigte ...
Aber sie ging das Wagnis doch nicht ein. Wie immer lähmte sie die Angst. Wenn sie nur wüsste, was mit Abram geschehen war. Wenn er konnte, würde er zweifellos nach ihr suchen, aber er war verletzt, und sie hatte keine Ahnung, wie schwer. Womöglich war er bereits tot ... Miriam schluchzte auf, woraufhin der Ritter sie schüttelte.
»Stillhalten, hab ich gesagt! Und lächeln, wenn wir die Tore durchreiten!«
Miriam schaffte es nicht zu lächeln, aber die Torwächter kontrollierten ohnehin nicht allzu intensiv. Es schien ihnen ziemlich egal zu sein, wer hinein- und hinausstrebte, nur die Weinlieferungen pflegten sie sorglich zu verkosten. Sie wirkten schon recht betrunken.
Odemar wechselte ein paar lachende Worte mit den Männern - Miriam war es ein Rätsel, wie er in dieser Lage scherzen konnte, aber er musste sich unbesiegbar fühlen, wenn er seine Beute in die Mauern der Stadt brachte. Sie war inzwischen zu dem Ergebnis gekommen, dass es diesem Mann um Dietmar ging. Wahrscheinlich würde er versuchen, das Kind zurück nach Bayern zu verschleppen. Aber warum dann dieser Aufenthalt in Fréteval?
Tatsächlich hegte Odemar ganz ähnliche Gedanken wie Rüdiger und Abram. Zwar fühlte er sich wirklich sehr gut und gratulierte sich zu seinem erfolgreichen Husarenstück, schalt sich inzwischen aber seiner Unüberlegtheit beim Aufbruch. Die Gegenwehr des Dieners hatte ihn aus dem Konzept gebracht - ebenso wie Gerlins plötzliches Auftauchen. Auf jeden Fall hatte er versäumt, das Maultier für seine Gefangenen mitgehen zu lassen, und jetzt musste er sich um ein weiteres Reittier kümmern. Er hoffte, dass dieses Nest einen Pferdemarkt hatte.
Zumindest bestand kaum die Gefahr, von irgendeinem möglichen Verfolger aufgespürt zu werden. Fréteval platzte an diesem Abend nach dem Gefecht geradezu vor Menschen. Alle Läden, alle Handwerksbetriebe hatten geöffnet, und die Schenken machten den Umsatz ihres Lebens. Eine einigermaßen ordentliche Herberge konnte Odemar allerdings nicht ausmachen, und eigentlich war es auch gar kein so guter Einfall, sich in einer solchen einzuquartieren. Die meisten Gasthöfe boten nur Gemeinschaftsquartiere, und selbst wenn man einen privaten Raum mieten konnte - den Schlüssel lieferte der Herbergswirt nie dazu. Odemar würde sich also nicht von seinen Gefangenen entfernen können, was lästig war. Schließlich gelüstete es ihn dringend nach etwas von dem guten Essen, dessen Düfte in dieser Nacht den ganzen Ort erfüllten. Überall boten Garküchen Speisen an, der Burgherr lud seine Leute zum Schmausen ein. Zudem wurde in den Schenken gebraten und gekocht - und der Wein floss in Strömen. Odemar freute sich auf den ersten Schluck, aber er konnte das Mädchen kaum mit in eine der Gaststätten nehmen. Es sei denn ...
»Wie heißt du überhaupt?«, fragte er seine Gefangene, während er nach einer Schenke mit ganz besonderem Angebot Ausschau hielt.
Miriam schluckte. »Ma ... Maria ...«, flüsterte sie dann.
Der Ritter lachte. »Ein Mariechen! Und womöglich noch Jungfrau! Wir werden eine Menge Spaß haben auf dieser Reise ... Ach, sieh, da ist es, was ich suche ...«
Das örtliche Freudenhaus war nicht als solches zu verkennen. Die Schenke wirkte ziemlich heruntergekommen, hier gab es keine verführerischen Essensdüfte, nur den Geruch nach billigem Bier. Dennoch machten die Männer im Schankraum und auf dem Platz davor einen zufriedenen Eindruck. Sie hielten alle Mädchen im Arm oder feilschten mit einem mageren, verschlagen wirkenden Mann um den Preis für eine der Huren.
»He! Was wollt Ihr hier mit der Kleinen?« Der Hurenwirt wurde sofort aufmerksam, als Odemar die widerstrebende Miriam in
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