Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
jetzt schon gereizt. Wer wusste schon, was er tat, um das Kind zum Schweigen zu bringen.
»Wisst Ihr was, ich bringe Euch Milch und Honig!«, versprach die Frau eifrig. »Da könnt Ihr das Brot eintunken, das wird ihm schmecken. Es ist doch ein kleiner Junge, ja? Oh, darf ich ihn einmal anrühren?«
Miriam enthüllte bereitwillig Dietmars Köpfchen, während der Ritter kurz vor dem Platzen zu stehen schien. Er wollte die Frau offensichtlich loswerden, aber Miriam fand sie freundlich. Zudem hatte sie Tränen in den Augen, als sie jetzt sanft über das weiche blonde Haar des Jungen strich.
»Ich hatte vier ...«, sagte sie gedankenverloren, ließ sich dann aber nicht darüber aus, was mit den Kindern geschehen war. »Wartet, ich bringe Euch gleich die Sachen ...«
Tatsächlich klopfte es kurz danach erneut, wobei diesmal ein blutjunges Mädchen schüchtern ein paar Leinenbinden und eine Schüssel mit Wasser in die Kammer schob. »Von der Claudine, sie kommt auch gleich mit der Milch, aber jetzt hat sie noch einen Freier ...«
Das Mädchen stellte außerdem eine Laterne auf, in der eine funzlige Kerze vor sich hin glomm. Dann verzog es sich, bevor Miriam noch danken konnte. Dietmar zeigte sich gleich besser gestimmt, als die junge Frau ihn im Licht der Lampe gereinigt und gewickelt hatte. Odemar tat das seine dazu, indem er ein Stück Brot abbrach, in den Wein tunkte und dem Kind das so aufgeweichte Backwerk in den Mund schob. Dietmar saugte und kaute verblüfft. Der Wein war süß, es schien ihm zu munden.
»Danach wird er schlafen«, erklärte Odemar. »Ein altes Mittel, pflegte meine Amme schon bei mir zu tun ...«
»Aber ... aber Wein ist für Kinder ... Sie bleiben klein, wenn man ihnen zu viel davon gibt, und sie ... sie werden dumm.« Miriam wagte einen Einwand, aber der Ritter lachte nur.
»Ach was, schau nur mich an! Kannst du dir einen größeren und kräftigeren Kerl vorstellen? Ich werde es dir schon noch beweisen heute Nacht! Und ›dumm‹ willst du mich doch wohl auch nicht nennen?«
Miriam enthielt sich einer Antwort. Sie hoffte, dass die Hure Claudine bald mit der versprochenen Milch zurückkam. Vorerst aber tat sich Odemar an Wein und Speisen gütlich und nötigte auch Miriam etwas auf. Das Mädchen vermochte nicht zu essen, erinnerte sich aber daran, wie viel einfacher die Nächte mit Martinus gewesen waren, wenn es vorher ein paar Schlucke Wein genommen hatte. Also trank es auch jetzt gehorsam. Miriam graute vor der Nacht.
Odemar rülpste, als er das letzte Stück Braten verschlungen hatte. »Das war sehr, sehr gut, Mariechen. Und jetzt zu dir ...«
Gerlin bestand darauf, die Männer nach Fréteval zu begleiten. Dabei rieten ihr sowohl Abram als auch Rüdiger entschieden ab.
»Du musst zum König, Gerlin!«, gab ihr Bruder zu bedenken. »Er hat dich zu sich befohlen, und auch wenn er sich freundlich gibt - er ist nicht der Langmütigste unter der Sonne. Wahrscheinlich macht er Herrn Florís jetzt schon die Hölle heiß. Reiz ihn nicht noch weiter!«
Gerlin zuckte die Schultern. »Florís wird den König schon beschäftigen.« Was das anging, war sie guten Mutes. Wenn Richard die Schriftstücke in die Hand bekam, würde er vorerst keinen Gedanken mehr an Gerlin verschwenden. »Und sonst ist es auch egal. Es ist nicht wichtig, was der König von mir denkt oder mit mir tut, wenn ich Dietmar nicht zurückbekomme! Ohne Dietmar ... ohne Dietmar war alles umsonst. Wir haben es doch nur für ihn getan ... Florís ... Salomon ... Ich wünschte, Florís wäre bei uns.«
»Den können wir jetzt unmöglich auch noch holen«, bemerkte Abram.
Er hatte sich an einem Becher Wein gestärkt und war nun bereit, loszureiten. Hansi hatte sogar ein Streitross für ihn besorgt. Gegen ein paar Kupferpfennige lieh einer der anderen Knappen den Hengst seines Herrn bereitwillig her. Wenn Abram ihn nicht bis zum Morgen zurückbrachte, würde der Junge in Teufelsküche kommen, aber darum mochte Hansi sich jetzt nicht kümmern.
Abram hatte allerdings gewichtigere Argumente gegen Gerlins Teilnahme an der Suche nach Miriam und ihrem Sohn.
»Gerlin, der Kerl will doch nur, dass du ihn verfolgst! Ob es dieser Roland ist oder einer seiner Spießgesellen: Die wollen in erster Linie Dietmar und dann gleich dich!«
»Dann konnten sie doch gleich mich entführen«, wandte Gerlin ein.
Abram verdrehte die Augen. »Hätten sie vielleicht auch, wenn sie dich allein mit Dietmar am Bach erwischt hätten. Aber vielleicht auch
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