Das Geheimnis der Puppe
wollte sie ohnehin nicht, und .«
Er schaute Laura an und lächelte zärtlich.
»Sie hätte sich eher vierteilen lassen, als dich für ein paar Stunden einem Babysitter anzuvertrauen. Und außerdem, sie hätte sich vielleicht auch nicht wohlgefühlt als Gast in Steiners Haus.«
Damit schien ihm plötzlich etwas Wichtiges einzufallen.
»Ihr tut mir beide einen sehr großen Gefallen, wenn ihr erst einmal schweigt. Das bringe ich ihr lieber selbst bei. Steiners Haus.«
Bert schüttelte den Kopf, als könne er es noch nicht so recht glauben.
»Da habe ich sie damals kennengelernt. Sie hat auch für ihn gearbeitet, nicht in der Kanzlei, im Haus. Daran wird sie nicht gerne erinnert.«
»Was hat sie denn gemacht.«
fragte Laura mit merklicher Distanz in der Stimme. Bert zog die Augenbrauen in die Höhe, ein winziges, spöttisches Lächeln stieg seine Mundwinkel hinauf.
»Sie war Dienstmädchen dort, mein liebes Kind. Hausmädchen, sagten sie damals dazu. Ich sehe darin keinen Makel. Es ist eine Arbeit wie jede andere auch.«
»Natürlic.«, murmelte Laura, aber so recht von Herzen kam das nicht. Auf der Heimfahrt instruierte ich Danny, daß die Bitte seines Großvaters auch für ihn galt. Er war ein wenig beleidigt, als ich gleich zweimal fragte:»Kann ich mich darauf verlassen.«
Mit dem ganzen Stolz eines vierjährigen Mannes verkündete er:»Ich bin doch kein Tratschweib.«
Und für den Rest der Fahrt schwieg er. Laura schwieg ebenfalls. Später, als Danny bereits schlief, fragte ich sie:»Hast du davon wirklich nichts gewußt.«
Ein kleines, gereiztes »nein«
war die Antwort. Zuerst dachte ich noch, es sei ihr vielleicht peinlich. Und so begann ich vorsichtig:»Es ist doch nicht so schlimm. Nimm meine Mutter, die hat in jungen Jahren als Krankenschwester gearbeitet. Da hat sie auch eine Menge Dreck beseitigen müssen. Vermutlich gab es in einem Haushalt damals nicht so viel, vor allem nicht solche Arten von Dreck zu beseitigen.«
Laura schaute mich nachdenklich an.
»Es macht mir nichts aus, Tom, wirklich nicht. Und wenn sie auf einem Bauernhof die Kühe gemolken oder die Ställe ausgemistet hätte, das würde mich nicht stören. Es ist nur .«
Sie brach ab, suchte nach den richtigen Worten.
»Als Vati sagte, er kennt das Haus, er war oft dort. Dort hat er sie kennengelernt, ich fand das aufregend, richtig romantisch. Wir beide laufen durch dieses Haus, wühlen auf dem Dachboden herum, amüsieren uns über die Bezeichnung Dienstbotenkammer. Und dann stellt sich heraus, in dem Bett, das da drin steht, hat meine Mutter geschlafen.«
»Ich habe mich nicht über den Ausdruck amüsier.«, erwiderte ich ruhig. Laura senkte den Kopf und betrachtete angelegentlich ihre Fingernägel.
»Na schön, ich auch nicht. Es ist nur so ein verdammt blödes Gefühl.«
Sie schüttelte den Kopf, unzufrieden mit sich selbst, weil sie nicht gleich ausdrücken konnte, was in ihr vorging.
»Wenn es deine Mutter wär.«, sagte sie plötzlich,
»dann würde ich jetzt mit ihr zusammen darüber lachen, verstehst du? Und deine Mutter würde genau wie mein Vater sagen, was es doch für Zufälle gibt. Aber meiner Mutter muß man es erst einmal verschweigen. Dann muß man es ihr schonend beibringen, man darf sie ja nicht aufregen. Denn wenn man sie aufregt, wird sie krank, und .«
Laura hatte sich mehr und mehr erregt, sprang aus dem Sessel auf, lief mit kleinen, nervösen Schritten vor dem Tisch auf und ab und zerrte dabei an einem Fetzchen Nagelhaut herum. Sie warf den Kopf zurück, funkelte mich an.
»Ach, das geht mir so auf die Nerven. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie satt ich es habe. Zwanzig Jahre lang habe ich nichts anderes gehört. Man darf sie nicht aufregen, das muß man ihr schonend beibringen. Nichts, rein gar nichts durfte ich ihr sagen. Jedes Wort wurde von Vati auf den Index gesetzt. Und erst nachdem er es bearbeitet hatte, brachte er es ihr schonend bei. Oh, wie ich diesen Ausdruck hasse.«
Laura war den Tränen nahe, und ich fühlte mich so hilflos. Solch einen Ausbruch hatte ich nie zuvor erlebt.
»Jetzt reg dich doch nicht so au.«, bat ich lahm. Laura stampfte mit dem Fuß auf wie ein trotziges Kind.
»Ich will mich aber aufregen, verdammt. Ich will einmal in meinem Leben mit meiner Mutter reden können wie mit einem ganz normalen Menschen. Ich bin es so leid, mich bei jedem Satz, den ich ihr sagen will, fragen zu müssen, ob der sie vielleicht umbringt. Ich will nicht jedesmal meinen Vater
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