Das Geheimnis der Puppe
unsicher. Es war nicht mein Metier. Schon die erste Szene, der Autounfall, bei dem Cheryl und ihr Mann ums Leben kamen, las sich für meine Begriffe wie ein Polizeibericht. Alles, was ich an diesem Sonntag zu Papier brachte, landete ausnahmslos auf dem Fußboden. Wo Danny es mit wahrer Hingabe aufsammelte, die zerknüllten Blätter mit den Händen glattstrich und mit treuherzigem Blick zu mir aufschaute.
»Brauchst du das nicht mehr, Papa? Darf ich es nehmen? Man kann die Rückseite noch bemalen.«
Und Danny bemalte eine Rückseite nach der anderen mit schwarz-weißen Kühen, rötlichen Schweinen, braunen Hühnern und allem, was ihm sonst noch zum Thema Landleben einfiel, während ich zum Telefon griff.
»Jetzt reg dich nicht auf, Tom«, sagte Wolfgang jedesmal.
»Das bekommst du in den Griff. Natürlich ist es eine Umstellung. Aber tu dir selbst einen Gefallen, und versuch es. Wenn wir das aus der Hand geben, gibt es vielleicht Ärger. Ich kenne mehr als einen Autor, der seinen eigenen Stoff nicht wiedererkannte, als er ihn sich auf der Leinwand anschaute.«
Vielleicht war es einfach nur zuviel. Ich war nervös, hatte ein schlechtes Gewissen gegenüber Laura. Eine im vierten Monat schwangere Frau mit den Vorbereitungen für einen Umzug alleine zu lassen, das gefiel mir nicht. Eine Frau, für die das Verhältnis zu ihrer Mutter zu mehr als nur einem Problem wurde, mit diesem »mehr«
sich selbst zu überlassen, gefiel mir noch weniger. Ich hatte unentwegt das Bedürfnis, sie zum Reden zu bringen. Meiner Meinung nach war Reden immer noch die beste Methode, ein Problem zu bewältigen. Aber nach diesem einmaligen Ausbruch benahm Laura sich, als wäre alles in bester Ordnung. Sie sprach über alles Mögliche, solange es das Haus oder meine Arbeit betraf. Den großen Rest verschwieg sie. Selbst daß man ihr ebenfalls einen Auftrag angeboten hatte, erfuhr ich nur zufällig, weil ich einen Anruf von Weber und Wirtz für sie entgegennahm. Und Weber erkundigte sich hoffnungsfroh, ob Laura es sich denn nun überlegt habe, ob sie es irgendwie einrichten könne, mitzuarbeiten. Ob ich nicht vielleicht ein gutes Wort für ihn einlegen könne. Eine ziemlich große Sache, die von einigen öffentlichen Stellen gefördert wurde, die Fernsehen, Rundfunk, Anzeigen, Plakatwände und alles, was sonst noch geeignet war, einschloß. Es ging um das Thema Milch in Flaschen. Vorerst sollte bei Weber und Wirtz nur die Wettbewerbspräsentation vorbereitet werden. Danach würde sich der Auftraggeber für eine Agentur entscheiden. Das alles kannte ich bereits. Und ich wußte auch, daß Laura in diesem Vorstadium zur Nervosität neigte, daß sie zu endlosen Besprechungen in die Agentur mußte. Eine kleine Andeutung von ihr hätte genügt, vermutlich hätte ich dann das Drehbruch sausen lassen, hätte mich statt dessen um unseren Umzug gekümmert und Laura zugeredet, schwarz-weiße Kühe zu zeichnen und sich mit Arbeit auf andere Gedanken zu bringen. Natürlich sprachen wir darüber. Und Laura gab sich redlich Mühe, überzeugend zu sein.
»Mir ist der Umzug sehr wichtig, Tom. Es macht mir Spaß, mich um alles zu kümmern. Und du tust ja schlimmer, als müßte ich unsere Möbel eigenhändig auf dem LKW verladen oder ganz alleine die Halle streichen. Ich weiß gar nicht, worüber du dich so aufregst. Ich habe schon Bescheid gegeben, daß ich diesen Auftrag nicht übernehmen will.«
»Und warum nicht.«
Laura hob flüchtig die Achseln.
»Vielleicht habe ich einfach etwas gegen Milch in Flaschen. Vielleicht bin ich der Meinung, daß du jetzt an der Reihe bist. Vielleicht habe ich keine Lust, einen Fernsehspot vorzubereiten. Das ist doch allein meine Sache.«
Das fand ich zwar nicht, aber ich wollte sie nicht drängen, und widersprechen wollte ich ihr auch nicht. Sonntags fuhren wir gleich nach dem Frühstück nach Grottenherten. Wir gingen noch einmal durch die einzelnen Räume, bewaffnet mit einem Maßband und dem Notizblock. Vermaßen Fenster und Wände, diskutierten eine Weile, ob wir den freien Blick in den Garten durch Vorhänge trüben wollten oder nicht.
»Im Schlafzimmer möchte ich schon Gardine.«, sagte Laura.
»Das sieht mir sonst zu kalt aus, und die Fenster zur Straße brauchen ohnehin welche. Sonst kann uns von der Straße her jeder auf den Tisch schauen.«
»Das ist doch Unsinn«, widersprach ich.
»Die Straße ist etliche Meter weit weg, und das Eßzimmer ist hinten. Das willst du ja wohl nicht in der Bibliothek
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