Das Geheimnis der Puppe
dann Barcelona, Valencia, Alicante und weiter die Küste entlang nach Cartagena, Almeria, vielleicht noch weiter hinunter. Zwar hatten wir bereits vor ihrer Abreise mit Bert darüber gesprochen, daß wir der Großstadt endgültig Lebewohl sagen wollten. Doch daß es so rasch gehen würde, damit hatte niemand von uns rechnen können. Einmal erhielten wir eine ziemlich bunte Ansichtskarte, auf der Bert, seiner Schrift nach zu urteilen in großer Eile, mitteilte, daß sie vielleicht noch ein oder zwei Wochen länger bleiben würden. Am. Mai rief er an. Es war gegen sechs Uhr abends. Sie waren gerade zur Tür hereingekommen, wollten sich jetzt ein wenig hinlegen. Ob wir nicht Lust zu einem kleinen Besuch hätten, vielleicht morgen abend? Laura war ans Telefon gegangen, und ich hörte sie sagen:»Bis morgen abend kann ich nicht warten, Vati. Ich habe eine Neuigkeit, und ich würde glatt ersticken, wenn ich sie noch so lange für mich behalten müßte.«
Dann jubelte sie los:»Stell dir vor, wir haben ein Haus. Du wirst staunen, wenn du es siehst. Es ist einfach umwerfend, riesengroß.«
Sie zog das Wort entsprechend in die Länge, damit auch der richtige Eindruck entstand. Am anderen Ende der Leitung hörte ich Bert lachen.
»Also schön«, meinte er.
»Weil du es bist, heute abend, aber laß mir zwei Stunden Zeit zum Atemholen.«
Um acht fuhren wir los, Danny wollte unbedingt mit und versprach, dafür am nächsten Morgen entsprechend länger zu schlafen. Bert sah gesund und gut erholt aus. Marianne schlief, als wir ankamen.
»Sie war sehr erschöpft«, erklärte Bert.
»Wir lassen sie besser schlafen.«
Es war Marianne in den letzten Wochen sehr schlecht gegangen. Und diesmal, so schien es, hätte einer der üblichen Kurzurlaube ihr nicht geholfen. Nur deshalb hatte Bert sich zu dieser langen Reise entschlossen. Er hatte wohl gehofft, sie damit auf andere Gedanken zu bringen. Mariannes Krankheit bestand aus Gedanken. In den vergangenen Jahren hatte ich es selbst mehrfach erlebt, daß sie plötzlich mitten in einem belanglosen Gespräch aufstand und aus dem Zimmer ging. Wenn sie länger als fünf Minuten fortblieb, folgte Bert ihr regelmäßig, um zu sehen, was sie tat. Er war immer in Sorge um sie. Er liebte sie auf eine stille und sehr intensive Weise. Ich denke, er hätte alles getan, um ihr zu helfen. Natürlich hatte er sie immer wieder gebeten, doch endlich einen Arzt zu konsultieren. Aber dagegen wehrte Marianne sich energisch. Und meist ging es ihr auch nach einigen Tagen wieder besser. Wenn nicht, dann schickte Bert sie eben auf eine ihrer Reisen. Harz, Spessart, Schwarzwald, kleine Pensionen, deren Besitzer er kannte, mit denen er
befreundet war, denen er vertraute. Dort wußte er Marianne in guten Händen. Ich hatte keine Ahnung, was Mariannes Depressionen immer wieder aufs neue auslöste. Und diesmal war es sehr schlimm gewesen. Bert führte uns ins Wohnzimmer, erklärte kurz:»Die Abwechslung hat ihr gutgetan. Ich habe sie selten so ausgeglichen erlebt.«
Er setzte sich und nickte Laura zu.
»Na, dann schieß mal los.«
Laura begann. Doch nach zwei, drei Sätzen unterbrach Bert sie bereits:»Wo, sagst du, ist das.«
»Das Dorf heißt Grottenherte.«, erklärte Laura.
»Es liegt ein paar Kilometer hinter .«
»Ich kenne Grottenherte.«, sagte Bert und unterbrach sie damit erneut.
»Jetzt erzähl mir nicht, ihr habt euch einen Bauernhof gekauft.«
»Gekauft haben wir noch gar nicht.«, schaltete ich mich ein.
»Vorerst haben wir nur gemietet. Keinen Bauernhof, sondern ein Haus. Es liegt am Ortsrand.«
Laura kramte in ihrer Handtasche nach den Polaroidfotos, die ich inzwischen gemacht hatte. Sie hielt Bert den kleinen Packen entgegen. Doch der machte keine Anstalten, danach zu greifen. Er starrte mich mit gerunzelter Stirn an.
»Ein neues Haus.«
»Baujahr.«
»Nein«, sagte Bert fassungslos.
»Laß mich raten. Der Besitzer heißt Josef Steiner.«
Bert lachte irgendwie unfroh, als er uns beide verblüfft nicken sah, schüttelte seinerseits den Kopf und meinte:»Also, darauf wäre ich im Traum nicht gekommen. Zufälle gibt es.«
Noch ein Kopfschütteln.
»Der alte Steiner verkauft also doch noch. Na ja, was soll er auch noch mit seinem Palast.«
»Du kennst das Haus, Vati.«
Laura war sichtlich enttäuscht, hielt immer noch die Fotos in der ausgestreckten Hand, sah erst mich an, dann wieder ihn.
»Und ob ich das Haus kenne«, erklärte Bert.
»Das Haus, den Park, die Familie
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