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Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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ausführlich beschrieben. Nach menschlichem Ermessen ein Monster. Eine einzige, riesige Körperzelle, genau genommen: Milliarden von Zellen, die sich zu einem Klumpen formiert hatten. Und jede einzelne Zelle trug den kompletten genetischen Code, soweit stimmte das noch mit jedem Biologielehrbuch überein. Nur war in Sandys Fall keine Zelle spezialisiert. Anders ausgedrückt, jede Zelle war nach Bedarf beliebig ersetzbar. Gesteuert wurde das Ganze von einem immensen Gehirn, das rund dreißig Prozent der Zellmasse ausmachte. Und in dieser Masse steckte ein überaus sensibles Wesen, sehr empfänglich für menschliche Stimmungen. Verletzlich und verzweifelt. Im Roman hatte ich in allen Variationen beschrieben, wie Sandy in gewissen Momenten die Kontrolle über sich verlor. Wie ihr Körper und ihr Gesicht die Konturen einbüßten. Eine Hand, die plötzlich wie eine breiige Masse auseinanderlief. Das hübsche Gesicht ohne Haut, zuerst noch ein roher Fleischklumpen, dann traten die Gehirnwindungen überdeutlich hervor. Dann gab es eine Szene, da stand Sandy unter der Dusche, ganz menschlich, eine wohlgeformte junge Frau. Und plötzlich wurde sie angegriffen. Ein paar böse Zungen hatten behauptet, da hätte ich abgeschrieben. Ganz so war es nicht. Zwar hielt auch bei mir die Hand, die den Duschvorhang beiseite schob, ein langes Messer. Aber das Grauen ging dann von Sandy aus. Da verwandelte sich der ansehnliche Frauenkörper von einer Sekunde zur anderen in eine überdimensionale Knochenplatte, an der das Messer nur noch wirkungslos herunterkratzte. Doch vor dem leeren Bett ihrer Mutter stehend, ist Sandy einfach nur ein hilfloses Geschöpf, den widersprüchlichen Empfindungen ausgeliefert, durchgeschüttelt von Ängsten und vagen Erinnerungen. Beseelt von dem Willen, die Wurzeln der eigenen Existenz zu finden. Ich hatte die Szene genau im Kopf, aber daneben sah ich Laura vor dem Bett in der Dienstbotenkammer stehen. Die Wurzeln der eigenen Existenz. Schwangerschaftspsychose, und vorher war Marianne angeblich ein zwar stiller und in sich gekehrter, aber doch normaler Mensch gewesen. Ein Mensch, der ein paar Jahre lang in Steiners Haus gelebt hatte. Und über mir Möbelrücken, Schritte, treppauf, treppab, dazu die Stimmen.
    »Halt das hier mal, Rudi. So, jetzt hab ich es. Kannst loslassen.«
    Ich konnte mich nicht konzentrieren. Ertappte mich immer wieder beim Lauschen in Richtung der Tür. Sie brauchten eine knappe Stunde, um Steiners Schlafzimmer auf den Dachboden zu schaffen. Sie hatten getrennte Schlafzimmer. Das allein sprach noch nicht gegen eine vorbildliche Ehe. Aber warum hatte seine Frau ihn verlassen?
    »… hieß es, er habe sie betrogen. Oder sie ihn … Ich persönlich glaube das nicht .«, geisterte Berts Stimme durch meinen Kopf. Den Blick auf die unter Tüchern verborgenen Schränke gerichtet, saß ich da und horchte. Warum verschenkten Steiners Söhne derartige Kostbarkeiten? Das hatte für mein Empfinden nichts mit Haß zu tun. Haß hat noch nie einen Menschen davon abgehalten, Kapital aus einer Sache zu schlagen. Furcht schon eher. Aber einen Vater, der alles für die Familie tut, den fürchtet man nicht, den verläßt man auch nicht.
    »… wollte sie zwingen, hier wieder einzuziehen .«
    Und jetzt waren wir eingezogen. Und Marianne wurde krank bei dem Gedanken. Aber Marianne wurde auch bei anderen Gedanken krank. Vielleicht hatte es gar nichts zu bedeuten. Dann begann das Scharren und Kratzen. Heinz und Rudolf waren dabei, die alten Tapeten zu entfernen. Die Terrassentür hatte ich ebenfalls geöffnet. Danny spielte direkt davor, obwohl ich nichts von ihm sah. Er hockte vor dem Erdwall und brummte nach Leibeskräften, um den Arbeitseinsatz seines Baggers zu verdeutlichen. Da mir in dieser Geräuschkulisse nichts Besseres einfiel, hielt ich schon einmal die Duschszene fest. Erst nur in Stichworten, doch daraus entwickelte sich rasch ein erster Ansatz. Laura kam erst am späten Nachmittag zurück. Ich bemerkte es zuerst nicht einmal. Registrierte nur, daß der Bagger unter der Terrasse wieder einmal seinen Einsatz unterbrach. Das hatte er in den letzten Stunden häufiger getan. Manchmal war Danny eben durstig, manchmal war er hungrig. Danny hatte den Wagen kommen hören und war um das Haus herum zur Einfahrt gelaufen. Und Laura bat ihn, einen der Männer zu holen. Einen, der die Kartons für sie ins Haus trug. So hörte ich, wie Danny durch den Keller hereinkam, wie er die Treppen hinauflief, erst die

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