Das Geheimnis der Puppe
Ihr Handwerkszeug hatten sie gleich mitgebracht. Sie kamen zuerst noch mit hinunter in die Küche. Laura brühte noch einmal frischen Kaffee auf. Und während wir den tranken, beratschlagten wir, womit am besten begonnen werden sollte.
»Wenn ich mal ’nen Vorschlag machen darf«, sagte Heinz.
»Dann fangen wir mit dem Schlafzimmer an. Schätze, damit werden wir bis heute abend fertig. Dann können wir es morgen einräumen, da können Sie dann wenigstens wieder vernünftig schlafen.«
Und dabei schaute er sehr flüchtig und verschämt auf Lauras schon leicht gewölbten Leib.
»Ist ja nicht das Wahre, mit der Matratze auf dem Boden. Das geht ins Kreuz.«
Laura nickte zustimmend, und Heinz wandte sich an mich.
»Ich hab gestern keine Tapeten gesehen«, stellte er fest.
»Haben Sie noch keine.«
Es war schon ein wenig peinlich, aber immerhin hatten wir bereits die Maße der einzelnen Räume. Und Laura erklärte, daß sie jetzt gleich losfahren würde, um Tapeten zu besorgen. Es schien ganz so, daß sie sich wieder gefangen hatte. Auf mich wirkte sie jedenfalls ruhig und ausgeglichen. Heinz empfahl ihr einen der üblichen Märkte für Heimwerkerbedarf. Er beschrieb ihr den Weg, und ich brachte Laura zum Wagen.
»Schaffst du das alleine.« fragte ich. Laura grinste:»Zweifelst du daran, oder hast du nur Angst, daß ich dich mit riesigen Blumenmustern überrasche.«
Sie grinste immer noch, als sie hinzufügte:»Geh du nur an deine Arbeit, sonst bekommst du noch Ärger mit Wolfgang.«
Ich küßte sie rasch auf die Stirn. Es war mir nicht recht, sie alleine fahren zu lassen. Ich sah ihr zu, wie sie rückwärts auf die Straße fuhr. Laura hob die Hand, winkte noch einmal kurz, dann war sie weg. Anschließend suchte ich in der Bibliothek nach meiner Schreibmaschine, trug unseren kleinen Küchentisch ins Wohnzimmer, einen Stuhl hinterher. Dann saß ich da, diese unförmigen, verstaubten Möbelberge vor Augen. Die Unfallszene strich ich erst einmal aus meinen Gedanken, ebenso die zweite, in der Sandy von einem Arzt erfährt, daß Cheryl nie ein Kind geboren hat. Dann kam Sandys großer Auftritt. Er ging mir flüssig von der Hand. Das Haus, Sandys Gesicht, die ganze düstere, Unheil verkündende Szenerie. Und gleich weiter. Der junge Journalist betritt die Eingangshalle. Alle Türen stehen offen. Es herrscht Totenstille. Er ruft nach Sandy, bekommt keine Antwort. Er schaut in die Räume im Erdgeschoß, steht einen Augenblick lang ratlos da, ruft noch einmal ihren Namen und wendet sich der Kellertreppe zu. Die Trennwand zum Eßraum war ganz zur Seite geschoben. Irgendwie störte mich das. Es war so leer in meinem Rücken. Ich hatte das Gefühl, daß hinter mir die Realität aufhörte. War mit Laura wirklich alles in Ordnung? Was ging in ihr vor, wenn sie die Kellertreppe hinabstieg? Der Journalist steigt hinab in den Keller. Und was empfand Laura im Keller? In der Dienstbotenkammer? Beim Anblick von Mariannes Bett mit den verstaubten Bezügen?
»Sie war Dienstmädchen dort, mein liebes Kind. Hausmädchen sagten sie dazu.«
Fenster putzen, Böden wischen. Irgendwie unvorstellbar. Ich kannte Marianne nur mit gepflegten Händen, nur in eleganter Kleidung. Ob sie damals Schürzen oder Kittel getragen hatte? Ob Laura sie sich in Schürze oder Kittel vorstellte? Weiter im Text: Aus dem Off plötzlich ein erstaunter Ausruf, Sandys Stimme. Der Journalist geht zurück zur Treppe. Da fehlte etwas Entscheidendes, die Großaufnahme eines bestimmten Mauerstückes von der Kellerwand. In diesem Mauerstück befand sich die Geheimtür, die ins Labor des Wissenschaftlers führte. Das mußte in dieser Szene zumindest angedeutet werden. Also, das Blatt aus der Maschine ziehen, noch einmal neu beginnen. Dann ein Szenenwechsel: Sandy steht in einem komplett eingerichteten, altertümlichen Zimmer. Rüschengardinen mit Rosenmuster, leicht angestaubt. Ein hohes Bett mit einem Baldachin aus dem gleichen Stoff. Durch ein breites Fenster fällt helles Sonnenlicht in den Raum, und doch sind da schattige Winkel. Eine erste Ahnung überzieht Sandys junges Gesicht. Dies ist das Zimmer ihrer Mutter, ihrer leiblichen Mutter. Auf diesem Bett, das fühlt Sandy, ist sie selbst gezeugt worden. Und mit Sandys Ahnungen und Gefühlen ist das so eine Sache. Im Roman gar kein Problem. Da war bereits mit den Versuchen an Ratten hinlänglich erklärt, welches Resultat die Experimentierwut des besessenen Wissenschaftlers zur Folge hatte. Und Sandy selbst war
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